Leitsatz (amtlich)
Der Betreiber eines Seniorenheims haftet nicht für Gesundheitsschäden, die ein körperlich beeinträchtigter Heimbewohner bei der Benutzung eines Fahrstuhls aufgrund eines technischen Versagens erleidet, wenn es in der Vergangenheit beim Betrieb dieses Fahrstuhls zu keinen Unfällen gekommen ist, der Fahrstuhl zur Zeit des Einbaus den maßgeblichen technischen Anforderungen genügte, vom TÜV überprüft und regelmäßig gewartet worden ist.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 31.07.2014; Aktenzeichen 3 O 252/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.7.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für Heilbehandlungskosten der im Jahr 1922 geborenen Frau M. (im Folgenden: Versicherte), die bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert war. Diese wohnte in dem von der Beklagten betriebenen Heim und ist dort am 19.4.2011 verunfallt.
Die Versicherte, die aufgrund einer Erkrankung körperlich beeinträchtigt ist, wollte in ihrem Rollstuhl sitzend den Fahrstuhl benutzen. Trotz einer in Höhe von 50 cm befindlichen Lichtschranke und einer Vorfeldüberwachung schlossen sich die Fahrstuhltüren und klemmten die Versicherte ein. Die Vorfeldüberwachung überwacht die Innenseite und die Außenseite der Aufzugstüren beim Ein- und Aussteigen. Diese Bewegungsmelder sollen dafür sorgen, dass die Tür nur dann schließt, wenn sich niemand in der direkten Nähe der Aufzugstüren befindet. Die Türen selber sollen mit zeitlicher Verzögerung schließen, nachdem die letzte Bewegung im überwachten Bereich registriert worden ist. Eine Vorrichtung, dass sich die Türen bei einem Einklemmen automatisch wieder öffnen, hat der Fahrstuhl nicht.
Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der Fahrstuhl zum Zeitpunkt seines Einbaus im Jahr 1986 den technischen Anforderungen entsprach, vom TÜV abgenommen worden war und regelmäßig gewartet wurde. Bis zum Unfall der Versicherten gab es keine vergleichbaren Vorfälle. Eine am 20.4.2011 erfolgte Besichtigung durch eine Fachfirma ergab keine Auffälligkeiten. Auch eine aus Anlass des Unfalls erfolgte Überprüfung durch die Heimaufsicht führte zu keinen Beanstandungen.
Durch den Unfall erlitt die Versicherte Beinverletzungen, für die nach dem von der Beklagten bestrittenen Vorbringen der Klägerin Heilbehandlungskosten und sonstige Leistungen in Höhe von insgesamt EUR 5.941,57 aufzuwenden waren.
Die Klägerin hat behauptet, der Fahrstuhl sei aufgrund seiner Konstruktion für das von der Beklagten betriebene Heim ungeeignet. Er könne am Unfalltag nicht fehlerfrei gearbeitet haben, sonst wäre der Unfall nicht passiert. Die Versicherte habe nichts falsch gemacht. Vielmehr deute alles darauf hin, dass der Aufzug fehlerhaft eingestellt und somit nicht verkehrssicher gewesen sei...
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 5.941,57 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 5.870,89 seit dem 7.8.2011 und aus EUR 70,59 seit dem 30.4.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, es sei von einem "Augenblicksversagen" der Sicherheitsvorkehrungen auszugehen. Hierfür spreche schon, dass der Aufzug seit vielen Jahren im Heim unfallfrei genutzt worden und auch die Versicherte seit 2002 ohne Beanstandungen mit ihm gefahren sei. Es könne deshalb allenfalls ein einmaliges technisches Versagen vorgelegen haben, das für sie aber nicht vorhersehbar gewesen sei. Zu einer Umrüstung und der Ausstattung mit aktuelleren Sicherheitsvorkehrungen sei sie nicht verpflichtet gewesen, weil der Fahrstuhl Bestandsschutz genossen habe.
Das LG hat der Klage nach der Vernehmung des Zeugen Döring mit seinem am 31.7.2014 (GA 149 ff) stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe ihre gegenüber den Heimbewohnern bestehende Obhutspflicht verletzt, weil der Aufzug nicht den Bedürfnissen der Bewohner einer Pflegeeinrichtung entsprochen habe, hierfür vielmehr generell ungeeignet gewesen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens rügt sie, das LG habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Es sei davon ausgegangen, dass das Unfallgeschehen eine Pflichtverletzung indiziere. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises seien hier aber nicht einschlägig. Aufgrund der regelmäßigen Überprüfungen und der jahrelangen unfallfreien Benutzung habe sie - die Beklagte - davon ausgehen dürfen, dass der Fahrstuhl ordnungsgemäß und sicher funktioniert. Selbst bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LG hätte dieses der Klage nicht ohne Beweisaufnahme über die Anspruchshöhe, die von ihr durchgängig bestritten worden sei, stattge...