Entscheidungsstichwort (Thema)
Rangverhältnis zwischen Unterhaltsanspruch und Leistungen der Jugendhilfe zur Heimerziehung. Heranziehung zu den Kosten der Heimerziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistungen der Jugendhilfe nach §§ 27, 34 SGB VIII in Form der Heimerziehung sind gegenüber dem Kindesunterhalt nach § 1601 BGB nicht nachrangig, soweit der Unterhaltsanspruch nicht nach § 94 SGB VIII auf den Träger der Jugendhilfe übergeht. Die Jugendhilfeleistungen sind dann bedarfsdeckend auch für die Zukunft anzurechnen.
2. Auch bei einer Herausnahme des Kindes aus der Familie gem. § 1666 BGB ist lediglich eine öffentlich-rechtliche Heranziehung zu den Kosten nach § 94 II SGB VIII möglich. Ein Anspruchsübergang nach § 94 III SGB VIII kommt nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1666; SGB VIII § § 27, 34, 94 II, § 94 III
Verfahrensgang
AG Emmerich (Urteil vom 19.07.2001) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Emmerich am Rhein vom 19.7.2001 teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:
die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens die Kläger je zur Hälfte, die Kosten des Berufungsverfahrens zu 55 % der Kläger zu 1 und zu 45 % der Kläger zu 2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die heute sechzehn und vierzehn Jahre alten Kläger nehmen die Beklagten als ihre Adoptiveltern auf Zahlung von Kindesunterhalt beginnend ab Januar 2000 in Anspruch.
Der Beklagte zu 1 - heute 72 Jahre alt - ist Konzertorganist und pensionierter Musikhochschullehrer (akademischer Rat). Die heute 45 Jahre alte Beklagte zu 2 ist von Beruf Lehrerin (Studiendirektorin). Sie hat sich während des laufenden Verfahrens vom Schuldienst beurlauben lassen und arbeitet nunmehr in Teilzeitbeschäftigung an einer Universität.
Die Beklagten adoptierten seit 1996 drei Kinder aus Mittelamerika. Die Adoptionen wurden in den Heimatländern der Kinder (Mexiko und Guatemala) durchgeführt. Das zunächst adoptierte Kind, ein 1986 geborenes Mädchen, wurde auf Veranlassung der Beklagten wieder nach Mexiko gebracht, weil die Beklagten mit seinen Eigenschaften nicht zufrieden waren. Der Kläger zu 1 wurde von den Beklagten ebenfalls in Mexiko adoptiert. Für ihn wurde auch in Deutschland ein Adoptionsverfahren durchgeführt, das mit einem Adoptionsbeschluss des Vormundschaftsgerichts vom 9.4.1998 abgeschlossen wurde.
Anschließend wurde im Jahr 1999 der Kläger zu 2 von den Beklagten in Guatemala adoptiert. Für ihn wurde eine Wiederholungsadoption in Deutschland nicht durchgeführt.
Aufgrund des Verdachts der Kindesmißhandlung wurden die Kläger im November 1999 vom Jugendamt in Obhut genommen und in Kinderheimen untergebracht. Durch Beschluss des FamG vom 7.3.2000 wurde den Beklagten das Sorgerecht für die Kläger entzogen und das zuständige Jugendamt zum Vormund bestellt. Seit der Trennung von den Beklagten fanden keine Kontakte mehr zwischen den Klägern und den Beklagten statt. Der derzeitige Aufenthalt der Kläger wird vor den Beklagten geheimgehalten. Ein Antrag der Beklagten auf Rückübertragung des Sorgerechts für den Kläger zu 1 wurde vom AG zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Beklagten blieb vor dem erkennenden Senat ohne Erfolg. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschwerdebeschluss des Senats vom 16.2.2004 (II-3 UF 40/03) Bezug genommen.
Spätestens seit Dezember 1999 (vgl. Bl. 139 GA) wird für die Kläger Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII (KJHG) geleistet. Die monatlichen Kosten der Heimerziehung belaufen sich insgesamt auf umgerechnet mehr als 3.000 EUR.
Das Jugendamt übersandte den Beklagten im Januar 2000 eine Rechtswahrungsanzeige. Die Beklagten wurden später von der Stadt E. am Rhein durch Leistungsbescheid vom 4.10.2000 (Bl. 105 GA) nach § 94 Abs. 1, 2 KJHG zum Kostenersatz herangezogen. Gegen den Bescheid haben sie Widerspruch eingelegt. Derzeit ruht das Verwaltungsverfahren. Weil sich eine Einigung mit den Beklagten nicht erzielen ließ, entschloss sich das Jugendamt, die Beklagten nunmehr im Namen der Kläger auf Unterhalt zu verklagen (vgl. Bl. 26 GA).
Die Kläger haben ihren Unterhalt aufgrund des - in den Einzelheiten streitigen - zusammengerechneten Einkommens der Beklagten nach Einkommensgruppe 13 der Düsseldorfer Tabelle zzgl. des hälftigen Kindergelds berechnet und zudem nach dem sog. Studentenbedarf. Sie haben sich zunächst auf eine Rückübertragung der auf das Land Nordrhein-Westfalen übergegangenen Unterhaltsansprüche gestützt.
Vor dem AG haben die Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie rückständigen Unterhalt von 1/00 bis 3/01 i.H.v. 17.340 DM für jeden Kläger zu zahlen, ab 4/01 für jeden Kläger monatlic...