Leitsatz (amtlich)
1. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 sind europarechtswidrig.
2. Die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 04.07.2019 - C-377/17), nach der die Mindestsätze der HOIA 2013 gegen Art. 15. Abs. 1, Satz 2 Bucht. G und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 EG verstoßen, gelten auch für die Anordnung von Mindestsätzen in der HOAI 2009.
3. Auf einen Verstoß der Regelungen der HOAI 2009 gegen die Richtlinie 2006/123 EG kann sich ein Privater im Rahmen eines Rechtsstreits ge-genüber einem anderen Privaten vor einem ordentlichen Gericht nicht be-rufen (Vertikalverhältnis).
4. Ein Verstoß von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI gegen Art. 15 Abs. 1, Satz 2 der Richtlinie 2006/123 EG stellt jedoch gleichzeitig einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV dar. Auf einen solchen Ver-stoß kann sich auch ein Privater gegenüber einem anderen Privaten im Rahmen eines Rechtsstreits berufen.
5. Art. 49 AEUV ist auch dann auf einen Sachverhalt, der durch § 7 Abs. 1 HOAI geregelt wird, anzuwenden, wenn an diesem nur Inländer beteiligt sind. Die in § 7 Abs. 1 HOAI 2009 vorgeschriebenen Mindestsätze entfal-ten eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Wirkung, die sich in den Mitgliedstaaten auswirken. Dies genügt um ein grenzüberschreitendes Element des Rechtsstreits zu bejahen.
Normenkette
HOAI 2009 § 7 Abs. 1, 3; Richtlinie 2006/123 EG
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 17 O 269/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 16.01.2019 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.278,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 6.645,00 Euro seit dem 13.07.2013 und aus 5.633,06 Euro seit dem 20.07.2013 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 603,93 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 8% und der Beklagte zu 92 %. (*)
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Honoraransprüche der Klägerin.
Die Klägerin, eine Planungsgesellschaft, und der Beklagte, ein erfahrener Projektentwickler, waren vertraglich u.a. verbunden betreffend das Projekt "Neubau eines Presse-Großvertriebes in M..." (im Folgenden "Projekt M..."), das Bauvorhaben "H..-H..", sowie das Bauvorhaben "K... in L...". Erstinstanzlich waren die Honoraransprüche aus diesen drei Bauvorhaben im Streit. In der zweiten Instanz streiten die Parteien nur noch um Honoraransprüche aus den Bauvorhaben "Projekt M.." und dem Bauvorhaben in H..-H... Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Unter dem 17. bzw. 19.09.2012 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Honorarangebot betreffend das Projekt "Presse-Großvertrieb in M...". Das Angebot umfasste weit überwiegend die Leistungsphasen 1 bis 8 und gelangte unter Berücksichtigung von Nachlässen zu einem Nettogesamthonorar von 413.000,00 Euro als Pauschalfestpreis (vgl. Anlage 2, Bl. 3 ff. AB). Der Beklagte hatte bezüglich dieses Vorhabens unter anderem angedacht, das betreffende Grundstück selbst zu erwerben, das Gebäude zu errichten und sodann an den Pressegroßvertrieb zu vermieten. Wegen dieser Absichten stand er mit der Geschäftsführung der Presse-Vertrieb M... GmbH & Co. KG (im Folgenden: Presse-Vertrieb) in Verhandlungen.
Am 17.09.2012 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Honorarangebot für die "erste Bearbeitungsphase". Das Angebot bezog sich überwiegend auf die Leistungsphasen 1 und 2 und endete mit einem Nettogesamthonorar von 32.500,00 Euro unter Berücksichtigung von Nachlässen in Höhe von rund 20 Prozent (vgl. Bl. 105 ff. AB).
Am 24.09.2012 schloss der Beklagte mit dem Presse-Vertrieb eine Vereinbarung (vgl. Bl. 98 AB). Nach § 2 dieser Vereinbarung sollte er einen Architekten mit der Entwurfsplanung beauftragen, um eine möglichst genaue Kostenschätzung zu ermitteln. Ferner sollte er gemäß § 3 der Vereinbarung dem Presse-Vertrieb Planungskosten bis 25.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zuzüglich eines Kostenersatzes für die eigenen Aufwendungen in Höhe von pauschal 5.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen können (vgl. Bl. 98 AB).
Mit Schreiben vom 27.09.2012 bot die Klägerin dem Beklagten in dem Schreiben im Einzelnen aufgeführte Leistungen zu einem Pauschalpreis von 17.500,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an (vgl. zu den Einzelheiten Bl. 1 AB). Der Beklagte nahm dieses Angebot an.
Auf eine Abschlagsrechnung der Klägerin v...