Leitsatz (amtlich)
Die Kostenüberbürdung auf den Beklagten nach § 269 Abs. 3 ZPO setzt voraus, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und die Klage unverzüglich zurückgenommen worden ist. Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und bei sachgerechter Auslegung kann die Vorschrift nur auf den Zeitraum der Erledigung der Klage zwischen der Anhängigkeit bei Gericht und Rechtshängigkeit der Klage bezogen werden.
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 13.11.2003; Aktenzeichen 7 O 2535/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Kassel vom 13.11.2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 1.250 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Kläger, vertreten durch seinen in O1 residierenden Anwalt, hat eine vom 5.11.2003 datierende Klage auf Zahlung eines Restkaufpreises von 23.500 Euro für ein Wohnmobil an das LG Kassel gerichtet und am 5.11.2003 zur Post gegeben. Ausweislich des Posteingangsstempels ging die Klageschrift am 7.11.2003 beim LG Kassel ein. Mit Schreiben vom 11.11.2003, bei Gericht eingegangen am 12.11.2003, nahm der Kläger die Klage zurück. Zu diesem Zeitpunkt war eine Zustellung der Klageschrift noch nicht erfolgt und auch vom Kammervorsitzenden noch nicht verfügt worden. In dem Schriftsatz, in dem der Kläger seine Klage zurücknahm, stellte er den Antrag, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreites nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO aufzuerlegen; der - zuvor mehrfach vergeblich gemahnte - Beklagte habe die Klagesumme am Abend des 5.11.2003 gezahlt, nachdem die Klageschrift bereits zur Post gegeben gewesen sei. Klage, Rücknahmeerklärung und Kostenantrag wurden in der Folge dem Beklagten nicht zugestellt.
Durch Beschluss vom 13.11.2003 hat das LG den Kostenantrag des Klägers zurückgewiesen; die Regelung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO könne auf Fälle der Erledigung vor Anhängigkeit der Klage nicht angewendet werden.
Mit der sofortigen Beschwerde macht der Kläger geltend, die Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO müsse zu seinen Gunsten Anwendung finden, da die Klageschrift sich zum Zeitpunkt der Zahlung des Beklagten schon auf dem Transport zum Gericht befunden habe und, unbeeinflusst war durch ihn, alsbald dem Gericht zugegangen sei. Wenn der Normzweck des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO der Gedanke der Prozessökonomie sei und eine unnötige Befassung des Gerichts und des Gegners mit dem Prozessstand vermeiden solle, sei die Anwendung der Vorschrift auch auf die Fälle gegeben, bei denen, wie vorliegend, die Erledigung vor Anhängigkeit eintrete.
Die dem Senat nach Nichtabhilfe durch das LG zur Entscheidung vorgelegte sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 269 Abs. 5 ZPO). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Das LG hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO dem Beklagten aufzubürden. Diese Vorschrift setzt nämlich voraus, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und die Klage unverzüglich zurückgenommen worden ist. Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und bei sachgerechter Auslegung kann die Vorschrift nur auf den Zeitraum der Erledigung der Klage zwischen der Anhängigkeit bei Gericht und der Rechtshängigkeit der Klage bezogen werden.
Durch die Neuregelung der Kostenfolgen der Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 3 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung der Zivilprozessordnung sollten insb. die Fälle befriedigender gelöst werden, in denen "der Anlass für die Klageerhebung - etwa durch Zahlung des eingeklagten Betrages - zwischen Einreichung und Zustellung der Klage, mithin vor Rechtshängigkeit weggefallen ist" (BT-Drucks. 14/4722). In diesen Fällen war nach früherem Recht die Kostenlast für den die Klage zurücknehmenden Kläger zunächst kaum vermeidbar, auch wenn er einen materiellen Kostenerstattungsanspruch (etwa aus Verzug) gegen den Beklagten hatte. Bei dieser Konstellation sollte mit der Gesetzesneufassung "dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung (getragen werden), ohne dass ein neues Verfahren erforderlich" sei. Allerdings kann auch in diesen Fällen nur die förmliche Zustellung der Klage an den Beklagten entfallen, nicht aber die schlichte Übersendung von Klageschrift, Rücknahmeerklärung und Kostenantrag an den Beklagten, da anderenfalls dem Beklagten das rechtliche Gehör entzogen (zutreffend OLG Dresden, Beschl. v. 17.3.2003 - 19 W 50/03, OLGReport Dresden 2004, 104, Juris KORE 410 342 003) und auch dem Gericht eine zutreffende "Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes" - wie sie § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO erfordert - nicht möglich wäre.
Die von der Gesetzgebungsgeschichte nahegelegte Beschränkung des Anwendungsbereiches der neuen Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auf den Zeitraum zwischen der Einreichung der Klage bei Gericht ("Anhängigkeit", vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 253 Rz. 4) und Zustellung der Klageschr...