Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Schiedsgerichtsklauseln bei Streitigkeiten zwischen Investoren und EU-Mitgliedsstaaten
Normenkette
AEUV Art. 18, 267, 344; VtrRKonv Art. 30, 59; ZPO §§ 1040, 1050, 1059, 1062
Nachgehend
Tenor
Die Nebenintervention des Königreichs der Niederlande wird zugelassen.
Die Anträge der Antragstellerin auf Aufhebung des in dem Schiedsverfahren zwischen den Parteien ergangenen Zwischenentscheids vom 26.10.2010 sowie auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf bis zu EUR 13.000.000 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 1040 Abs. 3 ZPO, nachdem das Schiedsgericht in einem Zwischenentscheid vom 26.10.2010 seine Zuständigkeit bejaht hat.
In dem zugrunde liegenden Schiedsverfahren streiten die Antragstellerin und die Antragsgegnerin um mögliche Vertragsverletzungen und etwa hieraus resultierende Schadensersatzansprüche aus einem bilateralen Abkommen aus dem Jahr 1991, welches die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin - die damalige Tschechoslowakei (nachfolgend: CSFR) - mit dem Königreich der Niederlande abgeschlossen hatte und in dem es um den Schutz von Investitionen zwischen den Niederlanden und der CSFR ging. Dieses sog. "Bilateral Investment Treaty" (nachfolgend: BIT), wegen dessen Inhalt im einzelnen auf die Anlage AST 1 verwiesen wird, trat am 1.10.1992 in Kraft.
Mit Auflösung der CFSR trat die hiesige Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin am 1.1.1993 in die Rechte und Pflichten aus dem Abkommen ein.
Mit Wirkung zum 1.5.2004 trat die Antragstellerin der EU bei.
Bei der hiesigen Antragsgegnerin handelt es sich um eine niederländische Versicherungsgruppe, bestehend aus zwölf im Versicherungs- und Rückversicherungssektor tätigen Unternehmen.
Mit einer im Jahr 2004 beschlossenen umfassenden Gesundheitsreform eröffnete die Antragstellerin den slowakischen Markt erstmals für private in- und ausländische Krankenversicherungen. Die Antragsgegnerin wurde daraufhin als Anbieter von Krankenversicherungen in der Slowakei zugelassen und begann in diesen Markt umfassend zu investieren. Sie erreichte bis Anfang Januar 2007 einen Marktanteil von rund 8,5 %.
Nach einem Regierungswechsel im Jahr 2006 wurden im Zuge einer Umkehrung der Liberalisierung des Krankenversicherungsmarktes die Rechte der privaten Krankenversicherer beschnitten und in verschiedenen Fällen Kontrahierungszwänge eingeführt. Hierdurch, so der Vorwurf der Antragsgegnerin, sei sie praktisch enteignet worden und ihr ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden.
Die Antragsgegnerin leitete deshalb im Oktober 2008 ein Schiedsverfahren gegen die Antragstellerin ein, mit dem Ziel, umfassenden Schadensersatz zu erlangen. Sie sieht ihre Ansicht, wonach durch die seit 2006 getroffenen legislativen Regulierungsmaßnahmen ihre Rechte aus dem Investitionsschutzabkommen (BIT) verletzt worden seien, auch dadurch bestätigt, dass das slowakische Verfassungsgericht im Januar 2011 diese Gesetzgebung als verfassungswidrig eingestuft habe.
Hinsichtlich der Zuständigkeit des Schiedsgerichts hat sich die Antragsgegnerin auf Art. 8 Abs. 2 des BIT berufen.
Art. 8 BIT lautet auszugsweise wie folgt:
"1) Alle Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei bezüglich einer Investition der letzteren sind, falls möglich, gütlich beizulegen.
2) Jede Vertragspartei stimmt hiermit zu, dass eine in Absatz (1) dieses Artikels genannte Streitigkeit einem Schiedsgericht vorgetragen wird, falls die Streitigkeit innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Datum, an dem eine Partei der Streitigkeit die gütliche Beilegung gewünscht hat, nicht gütlich beigelegt ist. (...)
5) Das Schiedsgericht wird sein eigenes Verfahren unter Anwendung der Schiedsordnung der Kommission für Internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen (UNCITRAL) festlegen. (...)
In der Folgezeit konstituierte sich entsprechend den weiteren Bestimmungen des Art. 8 BIT ein Dreierschiedsgericht unter dem Vorsitz des Professors A, wobei in Abstimmung mit den Parteien als Verfahrenssprache des Schiedsverfahrens Englisch und als Ort des Schiedsverfahrens Frankfurt/M. festgelegt wurde.
Parallel zum Schiedsverfahren hat die Antragsgegnerin ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Kommission eingeleitet; dieses Verfahren ist derzeit noch anhängig.
Die hiesige Antragstellerin und Schiedsbeklagte des Schiedsverfahrens hat bereits in der Klageerwiderung vor dem Schiedsgericht die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts erhoben und sich maßgeblich darauf berufen, dass das in Art. 8 Abs. 2 des BIT enthaltene Angebot zum Abschluss...