Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Schiedsklausel in einem bilateralen völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem bilateralen völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedsstaaten der EU enthaltene Schiedsklausel für Streitigkeiten zwischen einem Investor und einem Mitgliedsstaat ist mit dem durch Art. 267, 344 AEUV gewährleisteten Rechtsschutzsystem der EU vereinbar.

 

Normenkette

AEUV Art. 267, 344; ZPO § 1059

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 30.04.2014; Aktenzeichen III ZB 37/12)

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.05.2012; Aktenzeichen 26 SchH 11/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.01.2019; Aktenzeichen I ZB 2/15)

BGH (Beschluss vom 31.10.2018; Aktenzeichen I ZB 2/15)

BGH (Beschluss vom 03.03.2016; Aktenzeichen I ZB 2/15)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, den Schiedsspruch (Final Award) des Schiedsgerichts, bestehend aus den Schiedsrichtern A, C und B, ergangen im Schiedsverfahren zwischen G (ehemals D) und der Slowakischen Republik, PCA Fall Nr ... vom 7.12.2012 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 22.100.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung eines Schiedsspruchs, mit dem der Antragsgegnerin wegen Verletzungen eines zwischen dem Königreich der Niederlande und der damaligen Tschechoslowakei als Rechtsvorgängerin der Antragstellerin abgeschlossenen Investitionsschutzabkommens Schadensersatzansprüche gegen die Antragstellerin zugesprochen worden sind.

Die Antragsgegnerin ist eine niederländische Versicherungsgruppe, die aus 12 im Versicherungs- und Rückversicherungssektor tätigen Unternehmen besteht.

Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin der am Abschluss des Investitionsschutzabkommens beteiligten Tschechoslowakei (im Folgenden: CSFR).

Im Jahr 1991 schlossen die CSFR und das Königreich der Niederlande ein sog. Bilateral Investment Treaty (im Folgenden: BIT).

Das BIT enthielt in Art. 3 Abs. 1 ein Verbot, Investoren des anderen Vertragsstaates unfair und ungerecht zu behandeln und insbesondere, durch unvernünftige oder diskriminierende Maßnahmen, deren [der Investitionen] Betrieb, Verwaltung, Aufrechterhaltung, Nutzung, Genuss oder Veräußerung durch diese Investoren zu beeinträchtigen.

Art. 4 des Abkommens sah u.a. Folgendes vor:

Jede Vertragspartei gewährleistet den freien Transfer der im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage stehenden Zahlungen. Die Zahlungen haben in einer frei konvertierbaren Währung ohne unzulässige Beschränkung oder Verzögerung zu erfolgen. Diese Transfers beinhalten im Besonderen, jedoch nicht ausschließlich:

(a) Erlöse, Zinsen, Dividenden, Tantiemen. Gebühren und anderes fortlaufendes Einkommen;

...

(e) Die Vorgänge des Verkaufs oder der Liquidierung des Investments.

Art. 8 des Abkommens lautet auszugsweise wie folgt:

1) Alle Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei bezüglich einer Investition der letzteren sind, falls möglich, gütlich beizulegen.

2) Jede Vertragspartei stimmt hiermit zu, dass eine in Absatz (1) dieses Artikels genannte Streitigkeit einem Schiedsgericht vorgetragen wird, falls die Streitigkeit innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Datum, an dem eine Partei der Streitigkeit die gütliche Beilegung gewünscht hat, nicht gütlich beigelegt ist.

...

5) Das Schiedsgericht wird sein eigenes Verfahren unter Anwendung der Schiedsordnung der Kommission für Internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen (UNCITRAL) festlegen ...

Anstelle einer Darstellung weiterer Einzelheiten wird auf das von der Antragstellerin als Anlage AST 27 vorgelegte BIT Bezug genommen.

Die Antragstellerin trat als Rechtsnachfolgerin der CFSR mit deren Auflösung in die Rechte und Pflichten des am 1.10.1992 in Kraft getretenen BIT ein.

Mit Wirkung zum 1.5.2004 trat die Antragstellerin der EU bei.

Mit einer im Jahr 2004 beschlossenen umfassenden Gesundheitsreform öffnete die Antragstellerin den slowakischen Markt erstmals für private in- und ausländische Krankenversicherungen und ließ die Antragsgegnerin als Anbieter von Krankenversicherungen zu. Die Antragsgegnerin gründete in der Slowakei eine Krankenversicherungsgesellschaft (H ... versicherung AG), in die sie nach ihrem Vortrag im Laufe des Jahres 2006 insgesamt SKK 2,3 Milliarden, d.h. rund 72 Millionen Euro, als Bareinlage einbrachte. Die Antragsgegnerin bot über die H ... versicherung AG in der Slowakei private Krankenversicherungen an und erreichte bis Anfang Januar 2007 einen Marktanteil von rd. 8,5 %.

Nach einem Regierungswechsel nahm die Antragstellerin eine Neuregelung des Krankenversicherungssektors vor und schränkte private Krankenversicherer in ihrer Geschäftstätigkeit erheblich ein. Sie verbot mit Gesetz 12/2007 vom 12.12.2006 (Anlage AG 2) den Einsatz von Versicherungsmaklern, mit Gesetz 530/2007 vom 25.10.2007 (Anlage AG 3) Gewinnausschüttungen und untersagte mit Gesetz 192/2009 vom 28.4.2009 (...

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