Leitsatz (amtlich)

Überschreitet der Kapitalwert aller geringfügigen Anrechte nach erfolgter Saldierung den Grenzwert des § 18 Abs. 3, führt dies nicht zwingend dazu, dass ein Wertausgleich durchzuführen ist. Vielmehr handelt es sich bei der Frage, ob die einzeln unter der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Anrechte in der Summe darüber liegen, um einen Gesichtspunkt, der im Rahmen des durch die Sollvorschrift des § 18 Abs. 1 und 2 VersAusglG eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

VersAusglG § 18

 

Verfahrensgang

AG Hanau (Beschluss vom 06.03.2012)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird im Ausspruch zum Wertausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin (Ziff. 2, dritter Absatz, des Beschlusstenors) abgeändert. Ein Ausgleich dieses Anrechts findet nicht statt.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Ihre Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 1.365 EUR.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden und den Wertausgleich der während der Ehezeit vom 1.6.2002 bis zum 30.9.2011 erworbenen Anrechte durchgeführt. Neben der internen Teilung des Anrechts der Antragstellerin auf Beamtenversorgung bei der Stadt H. und des Anrechts des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung hat es auch eine interne Teilung des Anrechts des Antragsgegners auf öffentlich-rechtliche Zusatzversorgung bei der Beschwerdeführerin mit einem Ausgleichswert von 10,01 Versorgungspunkten angeordnet. Hinsichtlich der von beiden Ehegatten erworbenen Anrechte der privaten Altersvorsorge bei dem D. Lebensversicherungsverein a. G. hat es hingegen festgestellt, dass ein Wertausgleich nach § 18 Abs. 1 VersAusglG wegen der Geringfügigkeit der Differenz der Kapitalwerte der beiden gleichartigen Anrechte unterbleibt. Der Ausgleichswert als Kapitalwert des Anrechts des Antragsgegners beim D. Lebensversicherungsverein a. G. übersteigt denjenigen des Anrechts der Antragstellerin um 476,19 EUR. Obwohl auch der mit 2.900,28 EUR angegebene korrespondierende Kapitalwert des Anrechts bei der Beschwerdeführerin den Grenzbetrag von 3.066 EUR nach § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG i.V.m. § 18 Abs. 1 SGB IV unterschreitet, lässt sich den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht entnehmen, weshalb das Anrecht dennoch ausgeglichen worden ist.

Mit ihrer Beschwerde gegen den ihr am 28.3.2012 zugestellten Beschluss begehrt die Beschwerdeführerin den Ausschluss des Ausgleichs des bei ihr bestehenden Anrechts wegen Geringfügigkeit. Die übrigen Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II. Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Das Anrecht des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin unterschreitet mit einem Kapitalwert von 2.900,28 EUR den Grenzwert von 3.066 EUR nach § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG i.V.m. § 18 Abs. 1 SGB IV. Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Anrecht daher nicht ausgeglichen werden.

Dem Absehen von einem Ausgleich des Anrechts steht dabei nicht entgegen, dass die Summe der Kapitalwerte aller nicht ausgeglichenen Anrechte - nach erfolgter Saldierung - den Grenzwert von 3.066 EUR übersteigt. Der Senat folgt insoweit der am Wortlaut des § 18 VersAusglG orientierten Auslegung des OLG Stuttgart, wonach nicht auf den Saldo aller unter die Geringfügigkeitsgrenze fallenden Anrechte, sondern auf jedes einzelne Anrecht abzustellen ist. Bei der Frage, ob die einzeln unter der Grenze des § 18 Abs. 3 VersAuglG liegenden Anrechte in der Summe darüber liegen, handelt es sich demnach lediglich um einen Gesichtspunkt, der vom Gericht bei der Ausübung des ihm durch die Ausgestaltung der Abs. 1 und 2 des § 18 VersAusglG als Soll-Vorschrift eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1593; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 899; Breuers in jurisPK-BGB, 5. Aufl., Rz. 46-48, anders aber in Rz. 25; a.A. Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rz. 493; Hauß, FÜR 2009, 214; Holzwarth in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 18 VersAusglG, Rz. 6; Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 18 VersAusglG, Rz. 4 und 6).

Im vorliegenden Fall lässt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, weshalb das AG ausnahmsweise von der Soll-Vorschrift des § 18 Abs. 2 VersAusglG abgewichen ist und einen Ausgleich des bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechts angeordnet hat. Da das AG von dem ihm eingeräumten Ermessen damit keinen erkennbaren Gebrauch gemacht hat, ist der Senat befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des AG zu setzen ((vgl. BGH FamRZ 2007, 893; NJW 2001, 1652; KG FamRZ 2011, 393; BayLSG, Beschluss vom 22.11.2010, L 7 AS 486/10 B PKH. zitiert nach juris).

Der Saldo der unter die Geringfügigkeitsgrenze fallenden Anrechte beläuft sich zu Lasten der an sich in dieser Höhe ausglei...

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