Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Übermittlung von Schriftsätzen per beA - Ausnahmevorschrift § 130d S. 2 ZPO
Normenkette
ZPO §§ 130d, 233
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.06.2023; Aktenzeichen 2-25 O 176/22) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.6.2023 - Az.: 2-25 O 176/22 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 2.000.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Klägerin und die Beklagte sind die alleinigen Nachkommen des am XX.XX.2022 verstorbenen Erblassers X. Sie streiten im Wege von Klage und Widerklage um die Feststellung ihrer Alleinerben- bzw. Miterbenstellung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, dass die Beklagte und die Klägerin je zur Hälfte gesetzliche Erben geworden seien.
Gegen das ihr am 03.07.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch Einwurf eines Originalschriftsatzes mit Anlagen in den Nachtbriefkasten der Frankfurter Justizbehörden am 01.08.2023 Berufung eingelegt.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 02.08.2023 ist die Klägerin im Hinblick auf die eingelegte Berufung auf die Vorschrift des § 130d S. 1 ZPO hingewiesen worden.
Am 03.08.2023 hat die Klägerin die Berufungsschrift nebst Anlagen über das elektronische Anwaltspostfach des Ehemannes ihrer Prozessbevollmächtigten übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 04.08.2023 hat die Klägerin mitgeteilt, ihre Prozessbevollmächtigte habe "seit einigen Tagen bis einschließlich heute, den 04.08.2023, ca. 12 Uhr aufgrund von technischen Schwierigkeiten keinen Zugang" zu ihrem beA-Postfach gehabt. Ihre Prozessbevollmächtigte habe deshalb die Berufung nebst Anlagen in Papierform in den Fristenkasten der Frankfurter Justizbehörden eingelegt. Darüber hinaus habe sich die Prozessbevollmächtigte zur Wahrung der gesetzlichen Vorschriften des § 130d ZPO entschlossen, die Berufungsschrift samt Anlagen noch einmal elektronisch über den beA-Zugang ihres Ehemannes, der ebenfalls zugelassener Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main sei, einzureichen.
Mit Beschluss vom 18.08.2023 hat der Senat die Klägerin auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, und seine rechtlichen Erwägungen hierzu dargelegt.
Mit Schriftsatz vom 05.09.2023 hat die Klägerin zu dem Hinweisbeschluss Stellung genommen und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungseinlegungsfrist beantragt. Sie meint, die zeitlichen Abläufe im Zusammenhang mit dem Erlass des Hinweisbeschlusses durch den Senat verletzten ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. In der Sache macht sie geltend, die Einreichung der Berufung in Papierform und die anschließende Übermittlung über das beA-Postfach seien nicht als zwei separate Vorgänge zu werten, sondern müssten kumulativ als einheitlicher Lebenssachverhalt betrachtet werden. Bei Einwurf der Berufungsschrift in Papierform habe ihre Prozessbevollmächtigte die Voraussetzungen für die Ersatzeinreichung nach § 130 Buchst. d S. 2 ZPO nicht glaubhaft machen können. Denn zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht abzusehen gewesen, ob die Prozessbevollmächtigte auch weiterhin, d.h. bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 03.08.2023, aus technischen Gründen an einer Übermittlung über ihr beA-Postfach gehindert sein würde. Die Prozessbevollmächtigte habe sich fortdauernd um die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit ihres beA-Zugangs bemüht. In mehreren Gesprächen mit Bediensteten des Oberlandesgerichts sei der Prozessbevollmächtigten zudem mitgeteilt worden, dass die Berufung ordnungsgemäß eingegangen sei. Die Klägerin ist der Auffassung, die Berufung fristgerecht und formwirksam eingelegt zu haben. Die Voraussetzungen einer wirksamen elektronischen Einreichung seien gewahrt. Sie, die Klägerin, habe sich bei der Einreichung über das elektronische Anwaltspostfach des Ehemannes ihrer Prozessbevollmächtigten eines sicheren Übermittlungsweges im Sinne des § 130a ZPO bedient. Soweit der Senat in seinem Hinweisbeschluss auf einen Beschluss des BGH vom 20.9.2022 (Az. IX ZR 118/22) Bezug genommen habe, sei dieser nicht einschlägig. Die Entscheidung betreffe einen Sachverhalt, in dem ein technischer Fehler bei der Übermittlung des Schriftsatzes weder vorgetragen noch erkennbar gewesen sei. Unabhängig hiervon habe sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 130d S. 3 ZPO verlassen dürfen. Nach diesem könnten die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung auch noch später, nämlich unverzüglich nach der Einreichung, glaubhaft gemacht werden. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf deren Stellungnahme vom 05.09.2023 (Bl. 266 ff. d.A.) Bezug genommen.
II. Die Berufung ...