Leitsatz (amtlich)
Diesel-Skandal: Unzulässigkeit der Berufung wegen unzureichender Berufungsbegründung
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 02.05.2019; Aktenzeichen 7 O 1480/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau (Az.: 7 O 1480/18) wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.251,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie nach dem Kauf eines Pkws gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin deliktische Ansprüche geltend gemacht hat.
Die Klägerin erwarb von der Vertragshändlerin Autohaus A GmbH in Stadt1 gemäß Auftragsbestätigung vom 29.11.2013 einen VW Touran Comfortline BlueMotion 2,0 l TDI mit einem Kilometerstand von 17 km zum Preis von 31.251,00 EUR (Anlage K 1 = Bl. 16 ff. d.A.).
Für den Fahrzeugtyp, dessen Herstellerin die Beklagte ist, wurde eine EG-Typgenehmigung erteilt. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die Motorsteuerung des Motors war so programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), welcher Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 0) operiert. Im Modus 0 ist die Abgasrückführungsrate geringer.
Das Kraftfahrbundesamt sah im Jahr 2015 die vorbeschriebene Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung an und ordnete einen verpflichtenden Rückruf für sämtliche betroffene Fahrzeuge mit diesem Dieselmotor und die Entfernung der Abschalteinrichtung an. Mit Bestätigung aus dem Jahr 2016 gab es die zur Beseitigung entwickelte Maßnahme (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp frei.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Zahlung von 31.251,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit 11.02.2014, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs verlangt.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Die Klage sei nicht begründet. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch nicht zu.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitere an der fehlenden Stoffgleichheit zwischen Vermögensschaden und Vermögensvorteil.
Ein Anspruch nach den §§ 826, 31 BGB scheide aus, weil der Schutzzweck der verletzten Norm - VO 715/2007/EG - individuelle Vermögensinteressen nicht erfasse. Zudem bestehe allenfalls die Möglichkeit eines Anspruchs aufgrund einer Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Eine Offenbarungspflicht habe aber nur dann bestanden, wenn die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre, was aber nicht der Fall sei. Dass schon die Verwendung einer unzulässigen, aber durch das Software-Update zu beseitigenden Abschalteinrichtung einen wertbildenden Faktor darstelle, werde nicht hinreichend konkret durch die Klägerin dargestellt. Insbesondere habe sie nicht zum Zustand ihres eigenen Fahrzeugs vorgetragen.
Ein Anspruch aus den §§ 823 Abs. 2 BGB, 16 UWG scheitere an einem fehlenden angepriesenen besonderen Vorteil.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt, wobei sie nunmehr ihren Zinsanspruch modifiziert hat.
Sie rügt die Rechtsanwendung des Landgerichts. Dieses habe zu Unrecht einen Anspruch aus § 826 BGB verneint.
Die Klägerin hat vorgetragen, das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, die der Zulassung entgegengestanden habe, auch wenn formal eine EG-Typgenehmigung erteilt worden sei. Der Klägerin sei durch das Verhalten der Beklagten, das als sittenwidrig zu qualifizieren sei, ein Schaden entstanden. Dieser bestehe im Abschluss des Vertrages, den die Klägerin in Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen hätte. Zu ihren Gunsten greife die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens. Die Beklagte habe die Klägerin konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig sei, während sie tatsächlich erschlichen gewesen seien. Sie habe u.a. das Fahrzeug der Klägerin mit der Abschalteinrichtung ohne entsprechende Aufklärung in den Verkehr gebracht. Käufer derartiger Fahrzeuge gingen davon aus, dass das erworbene Fahrzeug entsprechend den gesetzlichen Vorschriften vom Hersteller in den Verkehr gebracht worden sei, und sie ohne Einschränkungen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürften. Diese Vorstellung sei angesichts der Täuschung durch die Beklagte falsch. Die Täuschung sei dabei kausal für die Kaufentscheidung gew...