Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsvollstreckung: Auslegung des Titels; Darlegungs- und Beweislast; Verschulden bei zeitlich verzögerter Reaktion

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind im Tenor einer nicht mit Begründung versehenen Unterlassungsverfügung zwei mit den Worten "und/oder" verknüpfte Aussagen genannt und wird im Tenor zusätzlich auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen ("wenn dies geschieht wie..."), kann der Verbotsumfang auch die beiden Handlungen isoliert umfassen; dies gilt jedenfalls dann, wenn mit der Antragsbegründung gerügt wird, dass beide Aussagen unabhängig voneinander unlauter seien.

2. Im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO können dem Unterlassungsgläubiger im Einzelfall Beweiserleichterungen hinsichtlich der objektiven Zuwiderhandlung und hinsichtlich des Verschuldens zugutekommen mit der Folge, dass den Schuldner insoweit die Darlegungslast dafür trifft, dass ein Verstoß nicht gegeben ist.

3. Von einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung ist nicht auszugehen, wenn dem Schuldner die Verfügung an einem Freitag zugestellt worden ist, die Prüfung von Inhalt und Umfang des Verbots nicht ganz einfach war, das Verbot durch entsprechende Änderungen auf der Internetseite technisch umzusetzen war und diese Änderungen am Sonntag noch nicht vorgenommen worden sind.

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.08.2017; Aktenzeichen 3-8 O 1/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 03.08.2017 teilweise abgeändert.

Die Höhe des Ordnungsgeldes wird auf 15.000 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft je 1.000 EUR, festgesetzt.

Die weitergehenden Beschwerden der Antragstellerin sowie die Beschwerde der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Ordnungsmittelverfahrens tragen die Antragstellerin 4/5 und die Antragsgegnerin 1/5.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch Beschlussverfügung vom 04.01.2017 untersagt,

geschäftlich handelnd

Bettwaren mit der Angabe "Made in Germany" und/oder mit der Angabe zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, die gesamte Produktionskette befände sich in Deutschland, wenn und soweit dies nicht der Fall ist, wenn dies wie in Anlage K 1 geschieht mit Angaben wie:

"Made in Germany

Die gesamte Produktions- und Vertriebskette von (...).de befindet sich in Deutschland - von der Entwicklung über die Herstellung bis zum Verkauf."

Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung der Antragsgegnerin am 06.01.02017 von Anwalt zu Anwalt per Fax und am 09.01.2017 per Post zugestellt. Einen am 10.04.2017 von der Antragsgegnerin eingelegten Widerspruch hat diese bisher nicht begründet, weshalb das Landgericht über den Widerspruch bisher nicht verhandelt hat.

Mit ihrem Ordnungsmittelantrag vom 11.04.2017 macht die Antragstellerin mehrere Verstöße geltend.

  • Verstoß 1: Identische Werbung auf der Internetseite der Antragsgegnerin am 08.01.2017 (Anlage K 3)
  • Verstoß 2: Werbung auf der Internetseite mit dem Teil "Made in Germany" in Alleinstellung am 11.01.2017 (Anlage K 4)
  • Verstoß 3: Werbung mit "Made in Germany" am 06.02.2017 und 23.02.2017 auf Amazon (Anlage K 5)
  • Verstoß 4: Versand einer Matratze mit "Made in Germany" im Booklet (Anlage K 7 / K8, Bl. 111) am 23.01.2017
  • Verstoß 5: Versand einer Matratze mit "Made in Germany" im Booklet (Anlage K 9 / K10, Bl. 121) am 02.03.2017

Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin produziere Teile der Matratzen im Ausland. So seien 2000 Matratzenbezüge für die Antragstellerin nach Dänemark geliefert worden. Auf der Rechnung sei als Herstellungsland "Ukraine" angegeben (Anlage K 8). Zudem lasse die Antragsgegnerin zumindest teilweise auch in Dänemark produzieren. Auch Kissen würden in Polen hergestellt. Im Übrigen verweise die Antragsgegnerin auf ihrer Homepage selbst darauf, dass ihre Bezüge in Deutschland "und ausgewählten europäischen Strickereien hergestellt" würden (Anlage K 17).

Das Landgericht hat gegen die Antragsgegnerin wegen des Verstoßes 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000 EUR verhängt. Hinsichtlich der weiteren Verstöße hat es eine Kerngleichheit verneint und den Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Antragstellerin. Die Antragstellerin beantragt nunmehr, ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 75.000 EUR zu verhängen, nachdem sie im Beschwerdeverfahren einen weiteren Verstoß Nr. 6 (Anlage K 11, Bl. 192 und 227) sowie einen weiteren Verstoß Nr. 7 (Anlage K 18, Bl. 241) geltend gemacht hat, die beide die Verwendung von "Made in Germany" in Alleinstellung zum Gegenstand haben.

Das Landgericht hat der Beschwerde der Antragsgegnerin teilweise, nämlich im Hinblick auf die Kostenentscheidung abgeholfen und 96 % der Kosten der Antragstellerin auferlegt. Im Übrigen hat es den Beschwerden nicht abgeholfen und diese dem Senat vorgelegt. Soweit damit das Landgericht in der (Teil-)Nichtabhilfentscheidung vom 07.02.2018 er...

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