rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllungsort beim Kauf eines Fahrzeugs von einem britischen Händler
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist die Frage des Gerichtsstands von der des anwendbaren Rechts zu trennen. Jedoch kommt es beim Gerichtsstand des Erfüllungsorts bereits für die Zuständigkeitsbestimmung auf das materielle Recht an.
2. Zu einer nachvollziehbaren Begründung einer Zuständigkeit nach § 29 ZPO gehört in einem Verfahren mit Auslandsbezug daher eine nachvollziehbare Begründung, welches materielle Recht auf den Vertrag Anwendung findet und warum aus diesem ein bestimmter Erfüllungsort folgen soll.
Normenkette
Brüssel Ia-VO Art. 6, 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2, Art. 24-25; Rom-I-VO Art. 4, 7; ZPO §§ 23, 29, 36 Abs. 1, § 281
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-30 O 110/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Sache wird unter Aufhebung der Verweisungsbeschlüsse des Landgerichts Frankfurt am Main, 2-30 O 110/21, an das Landgericht Frankfurt am Main zurückgegeben, das erneut über die Frage der Zuständigkeit zu entscheiden hat.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf Grundlage eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug "A" Verdienstausfall und Aufwendungsersatz. Sie macht dazu geltend, das ihr gelieferte Fahrzeug sei mangelhaft gewesen.
Die Klägerin hat ihre zum Landgericht Frankfurt am Main erhobene Klage gegen eine X, vertreten durch die Geschäftsführerin B, Straße1, Stadt1, gerichtet. Die sich für die Gegenseite meldenden Rechtsanwälte (nachfolgend Beklagtenvertreter genannt) haben ausgeführt, eine X bestehe als Rechtspersönlichkeit nicht. Die Klage sei dahin auszulegen, dass Beklagte die "X1" bzw. "X1, D, ...Straße2" (Vereinigtes Königreich) sein solle. Sie haben die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main gerügt und ausgeführt, auf den Vertrag sei gem. Art. 4 I lit. a Rom-I-VO englisches Recht anzuwenden. Zuständiges Gericht sei nach Art. 4 Brüssel-1a-VO das Gericht am Sitz der X1 im Vereinigten Königreich.
Die Klägerin hat an der Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main festgehalten, ohne die Angabe im Passivrubrum zu korrigieren oder sich sonst ausdrücklich zur Person der Beklagten zu erklären. In der Folge hat die Beklagte ausgeführt, "allenfalls" bestehe ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Mülheim an der Ruhr.
Mit Verfügung vom 11.08.2021, Bl. 50 d.A., hat die Einzelrichterin der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, der der Rechtsstreit zuvor durch Beschluss vom 11.06.2021, Bl. 36 d.A., nach § 348a I ZPO übertragen worden war, darauf hingewiesen, dass nach Art. 7 Rom-I-VO deutsches Recht anwendbar und der Gerichtsstand in Deutschland zu suchen sei, aufgrund des Erfüllungsortes Mülheim an der Ruhr aber das Landgericht Duisburg örtlich zuständig sei. Die Beklagte habe keinen Sitz in Frankfurt am Main.
Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2021 Verweisung an das Landgericht Duisburg beantragt hatte, hat das Landgericht Frankfurt am Main mit nicht weiter begründetem Beschluss vom 19.08.2021, Bl. 57 d.A., den Termin vom 21.09.2021 aufgehoben. Weiter heißt es in dem Beschluss: "Das Gericht erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist das Verfahren auf Antrag der Klägervertreterin an das Landgericht Duisburg."
Mit Kammerbeschluss vom 10.09.2021, Bl. 192 ff. d.A., hat das Landgericht Duisburg die Übernahme abgelehnt und die Sache an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen. Es hat die Verweisung durch das Landgericht Frankfurt am Main für willkürlich und nicht bindend gehalten und dies schon aus der fehlenden Begründung hergeleitet. Auch die Verfügung der Einzelrichterin vom 11.08.2021 enthalte keine Begründung für die Annahme von Mülheim an der Ruhr als Erfüllungsort. Dies sei auch nicht richtig, denn Erfüllungsort i.S.d. § 29 I ZPO sei der Sitz der Beklagten als Schuldnerin gem. § 269 I BGB.
Mit Beschluss der Einzelrichterin der 30. Zivilkammer vom 16.09.2021, Bl. 198 d.A., hat das Landgericht Frankfurt am Main sich erneut für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit erneut an das Landgericht Duisburg verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, tatsächlich sei die Akte ohne den begründeten Verweisungsbeschluss und nur mit dem Terminsaufhebungsbeschluss an das Landgericht Duisburg übersandt worden, einen begründeten Verweisungsbeschluss habe es aber gegeben. Sodann wird dessen Begründung wiedergegeben und ausgeführt, die Verweisung sei danach nicht willkürlich gewesen.
Im Anschluss an diesen Beschluss ist ein (weiterer) begründeter Verweisungsbeschluss vom 19.08.2021 zur Akte genommen worden, auf den sich der Beschluss vom 16.09.2021 bezieht.
Mit Kammerbeschluss vom 08.10.2021, Bl. 208 ff. d.A., hat das Landgericht Duisburg an der Ablehnung der Übernahme festgehalten. Daraufhin hat die Einzelrichterin der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung nach § 36 I Nr. 6 ZPO vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen einer Zuständ...