Leitsatz (amtlich)
Gegenstand einer Beschleunigungsbeschwerde gemäß § 155c FamFG ist nicht die Überprüfung der Richtigkeit der Verfahrensführung des Amtsgerichts, sondern die Beachtung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 Absatz 1 FamFG durch eine daran ausgerichtete Verfahrensförderung (Anschluss an OLG Stuttgart FamRZ 2017, 1254 (LS)).
Eine pauschale Feststellung, ab wann ein Verfahren nicht mehr hinreichend beschleunigt geführt wurde, gibt es nicht. Für die Bewertung der Verfahrensdauer ist eine Gesamtabwägung aller verfahrens- und sachbezogenen Faktoren sowie der subjektiven personenbezogenen Umstände vorzunehmen.
Aufgrund des Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG ist das Familiengericht gehalten, die aus seiner Sicht notwendigen Ermittlungen von Amts wegen zu führen, um so die Entscheidungsreife des Verfahrens herbeizuführen und - wenn die Eltern sich nicht einigen können - zeitnah in der Sache zu entscheiden.
Wenn aus der Sicht des Familiengerichts ein begleiteter Umgang nach § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB geboten erscheint, gehört zu den gebotenen Ermittlungen gemäß § 26 FamFG - unter Mitwirkung der Kindeseltern gemäß § 27 Abs. 1 FamFG - eine Nachfrage beim Jugendamt und fachlich geeigneten freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, ob bzw. welche Möglichkeiten der Umgangsbegleitung für den konkreten Fall dort vorhanden sind (Anschluss an OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.03.2015 - 5 UF 270/14, FamRZ 2015, 1730, Rn. 9).
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4 S. 3; FamFG §§ 26, 155 Abs. 1, §§ 155b, 155c; SGB VIII § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 533 F 305/18) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die bisherige Dauer des Verfahrens vor dem Amtsgericht Wiesbaden betreffend die Regelung des Umgangs zwischen X und dem Kindesvater nicht dem Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Umgang des Kindesvaters mit seiner Tochter.
Der Kindesvater regte mit am 12.12.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz die Regelung des Umgangs mit seiner bei der Kindesmutter lebenden Tochter an. Er trägt vor, dass er seine Tochter zuletzt im März 2018 gesehen habe und die Kindesmutter jeglichen Kontakt mit ihm ablehne. Mit Beschluss vom 17.12.2018 bestellte das Amtsgericht dem Kind eine Verfahrensbeiständin und leitete die Anregung des Kindesvaters an das Jugendamt weiter zur Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren. Mit Verfügung vom 17.01.2019 bestimmte das Amtsgericht einen Anhörungstermin auf den 01.02.2019, der wegen Verhinderung des Bevollmächtigten des Kindesvaters verlegt wurde auf den 15.03.2019. In dem Termin wurden das Kind, der Kindesvater, die Kindesmutter, die Verfahrensbeiständin und eine Vertreterin des Jugendamts persönlich angehört. Der Kindesvater erklärte, dass er auch mit einem begleiteten Umgangskontakt einverstanden sei, die Kindesmutter lehnte jegliche Umgangskontakte ab. Das Jugendamt wurde nicht explizit dazu befragt, ob die Möglichkeit der Begleitung von Umgangskontakten bestehe. Das Kind erklärte, dass es den Kindesvater nicht sehen wolle. Das Gericht wies im Termin darauf hin, dass die Anordnung eines begleiteten Umgangs mangels mitwirkungsbereitem Dritten vorliegend nicht möglich erscheine und insofern entweder über unbegleiteten Umgang oder einen vorübergehenden Umgangsausschluss zu entscheiden wäre. Die Verfahrensbeiständin empfahl zunächst Kontakte des Kindesvaters zu seiner Tochter in Form von Briefen, Postkarten oder Päckchen. Die Kindesmutter regte nach dem Termin einen Umgangsausschluss bzw. begleitete Umgangskontakte an.
Mit Hinweisbeschluss vom 01.04.2019 wies das Amtsgericht darauf hin, dass für die Anordnung von begleiteten Umgangskontakten ein mitwirkungsbereiter Dritter erforderlich sei und das Gericht auch gegenüber staatlichen Stellen keine Umgangsbegleitung gegen deren Willen anordnen könne. Weiter wies es den Kindesvater darauf hin, dass er ggf. gehalten sei, gegenüber dem Jugendamt im Verwaltungsrechtswege seine Rechte nach § 18 Abs. 3 SGB VIII geltend zu machen und bat ihn um Mitteilung, falls ihm ein mitwirkungsbereiter Dritter bekannt werde. Vom Amtsgericht könne gegenwärtig nichts weiter veranlasst werden. Wegen des weiteren Inhalts wird auf Bl. 87 f. Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 03.06.2019 wies der Kindesvater darauf hin, dass sich die Suche nach einem mitwirkungsbereiten Dritten schon aufgrund der Ortsverschiedenheit schwierig gestalte.
Mit Schriftsatz vom 09.12.2019 regte der Kindesvater an, der Kindesmutter das Sorgerecht in den Teilbereichen des Umgangs zu entziehen und auf einen Pfleger zu übertragen.
Mit Schreiben vom 16.01.2020 wies das Amtsgericht den Kindesvater darauf hin, dass es kein sorgerechtliches Verfahren zur Ergreifung von Maßnahmen nach § 1666 BGB einzuleiten gedenke und es im hiesigen Verfahren plane, das Mädchen Mitte des Jahres 2020 erneut anzuhören, um den aktuellen Kindeswillen festzustellen.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2020 bat der Kindesvater um Übermittlung eines beschwer...