Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschleunigungsbeschwerde in einer Kindschaftssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Beschleunigungsgebot aus § 155 Abs. 1 FamFG gilt in jeder Lage des Verfahrens und ist unter anderem bei der Anberaumung von Terminen, bei der Fristsetzung für die Abgabe eines Gutachtens oder der Bekanntgabe von Entscheidungen zu beachten.

2. Maßstab der beschleunigten Verfahrensführung ist das in allen Phasen des Verfahrens vorrangig zu beachtende Gebot der individuellen Orientierung am Kindeswohl aus § 1697a BGB.

 

Normenkette

BGB § 1666; FamFG § 155 Abs, § 155b Abs. 2 S. 1, § 155c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 4 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Beschleunigungsbeschwerde des Kindesvaters vom 16.07.2021 wird zurückgewiesen.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kindesvater wendet sich mit der Beschleunigungsbeschwerde vom 16.07.2021 gegen die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens, welches die Prüfung von Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des seelischen Wohls seiner jetzt neun Jahre alten Tochter J. betrifft.

J. lebt seit der Trennung ihrer Eltern im Juni 2015 im Haushalt der Kindesmutter. Umgang mit dem Kindesvater fand zunächst für zwei bis längstens dreieinhalb Stunden wöchentlich statt, wobei es dem Mädchen durchgehend schwergefallen ist, sich auf direkte Kontakte mit ihm einzulassen und sich von der Mutter zu lösen.

Seit November 2019 lässt die Kindesmutter keinen Umgang mehr zu, weil J. über sexuelle Handlungen des Vaters berichtet habe. Das auf ihre Anzeige von der Staatsanwaltschaft B. zu Az. 213 Js 2037/20 eingeleitete Strafverfahren wegen des Vorwurfs des schweren sexuellen Missbrauchs wurde mit Bescheid vom 14.10.2020 mangels hinreichenden Tatverdachts wegen fehlender Zeugentüchtigkeit des mutmaßlichen Opfers eingestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter wurde mit Bescheid vom 19.11.2020 zurückgewiesen. Mehrfache Versuche des Verfahrensbeistands wie auch des Jugendamts, die Kindesmutter daraufhin zur Zustimmung zur Wiederaufnahme der Umgangskontakte zu bewegen, sind gescheitert.

Das Amtsgericht hat auf Anregung des Kindesvaters mit richterlicher Verfügung vom 06.12.2019 das vorliegende Verfahren zur Prüfung der Anordnung von Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet, dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt und diesen sowie das Jugendamt um einen Bericht gebeten. Darüber hinaus hat es Termine zur Anhörung des Kindes und zur mündlichen Erörterung mit den übrigen Beteiligten bestimmt, wobei es Verlegungsanträgen seitens beider Kindeseltern nachgekommen ist. Nach der Vorlage der schriftlichen Berichte des Jugendamts vom 19.12.2019 sowie des Verfahrensbeistands vom 23.01.2020 und 09.02.2020, der richterlichen Anhörung des Kindes am 14.01.2020 und der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 10.02.2020 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.02.2020 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung einer etwaigen Kindeswohlgefährdung im mütterlichen und väterlichen Haushalt sowie zu der Frage angeordnet, ob der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie durch ambulante öffentliche Hilfen begegnet werden könne. Zum Sachverständigen wurde Prof. Dr. U. J., L., bestellt und eine Frist zur Vorlage des Gutachtens zum 31.08.2020 bestimmt.

Mit Schreiben vom 11.03.2020 gab der Gutachter bekannt, dass seine Versuche, Kontakt zu der Kindesmutter aufzunehmen, erfolglos geblieben seien. Diese teilte mit Schriftsatz vom 30.03.2020 mit, dass sie den Gutachter wegen fehlender Neutralität ablehne. Das Amtsgericht hat daraufhin zu den von ihr vorgetragenen Bedenken Stellungnahmen des Gutachters, des Kindesvaters und des Verfahrensbeistands eingeholt. Nach erneuter Äußerung der Kindesmutter im Schriftsatz vom 08.06.2021 und Aufforderung des Kindesvaters vom 19.06.2020, über das Gesuch nunmehr zu entscheiden, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 08.07.2020 die Ablehnung des Gutachters zurückgewiesen.

Mit richterlicher Verfügung vom 18.08.2020 wurde der Gutachter um Fortsetzung der Begutachtung ersucht und nach Anwaltswechsel auf Seiten der Kindesmutter deren nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte mit weiterer Verfügung vom 03.09.2020 gebeten, diese bei der Mitwirkung an der Beweiserhebung zu unterstützen. Mit Schriftsätzen vom 07.10.2020 und 15.10.2020 teilte die Kindesmutter mit, dass sie weiterhin weder sich noch J. von Prof. Dr. J. begutachten lassen wolle. Daraufhin wurde ihr nach gerichtlichem Hinweis vom 21.10.2020 mit weiterem Schreiben vom 27.11.2020 unter Fristsetzung zum 10.12.2020 angekündigt, dass bei weiterer Verweigerung der Exploration des Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge für J. auf das Jugendamt als Pfleger übertragen und die Herausgabe des Mädchens angeordnet werde. Daraufhin erklärte die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 10.12.2020, grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Begutachtung zu haben, Prof. Dr. J. aufgrund aktueller ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge