Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Gründe
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.
Die Klage ist zumindest im zuerkannten Umfang - Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertverlustes der Zertifikate (124.808,08 EUR) - begründet. In Übereinstimmung mit dem LG nimmt der Senat an, dass die Beklagte ihre Pflichten aus dem mit der Zedentin geschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt hat, indem sie deren Geschäftsführer A vor Durchführung der am 27.10.2006 getätigten Investition in 2.000 Zertifikate der X-Bank AG (WKN:...) nicht über die von der Emittentin gezahlte Provision i.H.v. 4 % des Anlagebetrages aufgeklärt hat. Wegen der Begründung im Einzelnen kann auf die zutreffenden Ausführungen des LG (Urt. S. 8 f.) verwiesen werden. Das Vorbringen der Beklagten in zweiter Instanz rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Die Notwendigkeit der Offenbarung der an den Vertrieb der Zertifikate geknüpften Vertriebsprovision und des damit einhergehenden Interessenkonflikts wird mit der Berufung nicht angegriffen.
Ohne Erfolg macht die Beklagte allerdings unter Bezugnahme auf den vom Geschäftsführer der Zedentin unterzeichneten WpHG-Bogen vom 23.9.2004 (Anl B2) geltend, die erforderliche Aufklärung sei durch den dort enthaltenen Hinweis, wonach die Beklagte für bestimmte Anlageformen bzw. Wertpapiere Außenprovisionen erhalten könne, vorliegend erfolgt. Der vage gehaltene Hinweis reicht nicht zur Aufklärung darüber, dass die Beklagte gerade bei dem betreffenden, zumal erst rund zwei Jahre später getätigten Geschäft eine Provision erhalten werde und deshalb ein Interessenkonflikt der beratenden Bank gegeben war. Zudem musste das in dem persönlich auf die Zedentin zugeschnittenen Anlagevorschlag vom 27.8.2004 (Anl K1) enthaltene 'Konditionsangebot Wertpapiergeschäft', welches von der Anlegerin zu zahlende An- und Verkaufsgebühren bei Zertifikaten von 0,70 %, mindestens aber 50 EUR vorsah, bei ihrem Geschäftsführer die irrige Vorstellung erwecken, es würde mit einer - aus nicht dargelegten Gründen allerdings auf 0,5 % reduzierten - Provisionszahlung seitens der Zedentin sein Bewenden haben. Im Übrigen blieb der Geschäftsführer der Zedentin jedenfalls aufklärungsbedürftig, was die Größenordnung der von der Emittentin gezahlten Provision angeht. Denn ohne deren Kenntnis konnte er das Interesse der Beklagten an dem empfohlenen Erwerb und die damit verbundene Gefährdung seiner Interessen nicht richtig einschätzen (BGH, Urt. v. 19.12.2006 - XI ZR 56/05, Rz. 24; Urt. v. 27.10.2009 - XI ZR 338/08, Rz. 31 - juris, OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2010 - 17 U 88/09, Rz. 41; anders OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2009 - 17 U 307/08, Rz. 50, 52).
Der Erwerb der Wertpapiere beruhte auch darauf, dass der Mitarbeiter der Beklagten, B, die erforderliche Aufklärung über die Rückvergütung unterlassen hat.
Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, d.h., dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Diese Vermutung gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen (BGH, Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR 586/07, Rz. 22 m.w.N., - juris). Sie greift auch hier ein. Rechtsfehlerfrei hat das LG es als lebensnah angesehen, dass der Geschäftsführer A in einer zur 0,5%igen Provision hinzu zu addierenden 4%igen weiteren Vertriebsvergütung einen derart starken Empfehlungsanreiz gesehen hätte, dass er die empfohlene Anlage ausgeschlagen hätte (Urt. S. 10).
Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Berufung, die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei vorliegend erschüttert.
Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei dem Geschäftsführer der Zedentin um einen offenbar überdurchschnittlich erfahrenen Anleger handelt. Dies ergibt sich schon aus den in der Klageschrift mitgeteilten Verkäufen von Zertifikaten vor Fälligkeit im Zeitraum zwischen dem 25.-31.10.2010 und den binnen zwei Tagen (26./27.10.2010) getätigten Folgeinvestitionen wiederum in diverse Zertifikate. Gleichwohl lässt dieser Umstand wie auch der Vortrag der Beklagten, A habe auch bei im Nachgang zum streitgegenständlichen Erwerb getätigten Anlagegeschäften - gemeint sind der Erwerb einer Y-Garantieanleihe im Dezember 2006 sowie von W-bank-Zertifikaten im Mai 2007 - trotz erfolgter, von der Klägerin allerdings ausdrücklich bestrittener Aufklär...