Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung: Voraussetzungen von § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG
Leitsatz (amtlich)
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG setzt nicht voraus, dass die Klage (auch) gegen einen Prospektverantwortlichen im Sinne des § 32 b Nr. 1 ZPO gerichtet wird.
Normenkette
GVG § 71 Abs. 2 Nr. 3; ZPO §§ 32b, 36
Tenor
1. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 28.2.2018 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung der Zuständigkeit an das Landgericht Frankfurt a.M. zurückgegeben.
Gründe
I. Der Kläger nimmt mit der beim Landgericht Frankfurt am Main eingereichten Klage die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage im Zusammenhang mit dem X - Komplex in Anspruch. Er hatte am 19.8.2011 über die als Treuhänderin fungierende Y GmbH eine Beteiligung an der X1 GmbH & Co. KG gezeichnet.
Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) - 5) begründet der Kläger damit, dass diese führende Funktionen bei der X-Gruppe inne gehabt und Kenntnis von deren tatsächlichen Geschäftsmodell gehabt hätten. Es sei den Beklagten zu 1) - 5) darum gegangen, möglichst viele Anlegergelder einzusammeln. Diese seien jedoch weitgehend nicht für den Erwerb von Immobilien für den jeweiligen Fonds, an denen sich der Anleger beteiligt hatte, sondern für private Zwecke verwendet worden oder seien in andere Gesellschaften verschoben worden, um dort Liquidität herzustellen. Die jeweiligen Fondsprospekte seien insbesondere hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Gewinnperspektive fehlerhaft. Insbesondere sei dem potentiellen Anleger ein fehlerhaftes Bild von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Fondsgesellschaften vermittelt worden. Den Beklagten sei diese Unrichtigkeit bekannt gewesen.
Grundlage der Inanspruchnahme der Beklagten zu 6) und 7) ist der Umstand, dass diese am 1.7.2011 bzw. am 1.8.2011 insgesamt vier Bescheinigungen über die von der X-Gruppe im Zeitraum 2006-2011 getätigten An- und Verkäufe von Immobilien ausgestellt haben. Der Kläger macht geltend, diese Bescheinigungen seien allein auf der Grundlage vorgelegter Unterlagen erstellt worden, ohne seriöse Prüfung, ob die Immobilien tatsächlich erworben worden seien und welchen Wert sie hätten. Dadurch hätten Beklagten zu 6) und 7) das kriminelle Geschäftsgebaren der Beklagten zu 1)-5) unterstützt. Er selbst sei durch die fingierten TÜV-Bescheinigungen über die Seriosität des Unternehmens und die Werthaltigkeit seiner Anlage getäuscht worden.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Streitwert zunächst auf 2.995 EUR festgesetzt und dem Kläger Gelegenheit gegeben, zur sachlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen. Der Kläger hat daraufhin die Auffassung vertreten, die sachliche Zuständigkeit folge aus § 32b ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 S. 3 GVG . Hilfsweise hat er Verweisung an das sachlich zuständige Gericht beantragt (Bl. 43 d.A.). Mit Verfügung vom 20.12.2017 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Anwendung des § 32b ZPO voraussetze, dass zumindest auch ein sonstiger Prospektverantwortlicher im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen werde; hierzu sei bislang nicht hinreichend vorgetragen worden (Bl. 46 d.A.).
Mit Schriftsätzen vom 16.1.2018 und 15.2.2018 erklärte der Kläger erneut, dass die sachliche Zuständigkeit aus § 32b ZPO sowie aus § 71 Abs. 2 S. 3 GVG folge. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main ergebe sich daraus, dass ein Großteil der mittlerweile insolventen Gesellschaften der X Gruppe in Stadt1 ansässig (gewesen) seien. Es sei davon auszugehen, dass die Straftaten, die den Beklagten von der Staatsanwaltschaft Stadt1 zur Last gelegt worden seien, größtenteils von Stadt1 aus geplant worden seien. Dies gelte auch für die Prospekthaftung (Bl. 193 f). Gleichzeitig überreichte der Kläger den Prospekt für den vorliegend gegenständlichen Fonds (Anlage K 10).
Nach Anhörung der Beklagten hat das Landgericht mit Beschluss vom 28.2.2018 den Streitwert - unter Berücksichtigung des Klageantrages zu 2) - auf 3.495 EUR festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Frankfurt am Main verwiesen, da dieses nach den §§ 23, 71 GVG sachlich zuständig sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die sachliche Zuständigkeit folge nicht aus § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG . Diese Vorschrift sei nur dann anwendbar, wenn auch die Voraussetzungen des § 32b ZPO erfüllt seien. Dies setze voraus, dass zumindest auch ein sonstiger Prospektverantwortliche im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen werde. Hierzu habe der Kläger trotz Hinweises nichts vorgetragen; er stütze die von ihm angenommene Zuständigkeit vielmehr im Wesentlichen auf § 32 ZPO (Bl. 284 d.A.)
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat sich - nach vorherigem Hinweis und Anhörung der Parteien - mit Beschluss vom 13.6.2018 seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. ...