Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 24. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das vorliegende Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 29.503,03 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des Kaufs eines angeblich mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Kraftfahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin kaufte am 8. Mai 2015 von einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler einen neuen Audi Q3 Sport 2.0 TDI zum Preis von 37.418,40 Euro netto. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 (Euronorm 6) mit einer Leistung von 110 kW ausgestattet. Bei Motoren dieser Baureihe wird zur Verringerung der Stickoxidemissionen ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Unterhalb und oberhalb bestimmter Außentemperaturen wird diese Abgasrückführung herabgesetzt (Thermofenster). Außerdem findet eine Abgasnachbehandlung in Form der Selective Catalytic Reduction (SCR) statt. Dabei wird eine künstliche Harnstofflösung (Handelname "AdBlue") aus einem Tank in einen Katalysator eingespritzt. In dem SCR-Katalysator wird die dem Abgas beigemischte Harnstofflösung bei hinreichend hohen Temperaturen in Ammoniak umgewandelt, der mit Stickoxiden im Wesentlichen zu Stickstoff und Wasser reagiert, was unter bestimmten physikalischen Bedingungen die weitgehende Umwandlung von Stickoxid-Rohemissionen in ungefährliche Stoffe ermöglicht.
Ursprünglich war in der Steuerungssoftware von Motoren der Baureihe EA 288 eine so genannte Akustikfunktion inklusive Fahrkurve implementiert. Die Fahrkurvenerkennung bewirkte, dass während einer Prüfstandsfahrt die im realen Straßenbetrieb bei Erreichen der vollen Betriebstemperatur des SCR-Katalysators von 200 Grad Celsius erfolgende Absenkung der Abgasrückführungsrate unterbunden wurde; außerdem wurde mit der Einspritzung von Harnstofflösung in den SCR-Katalysator schon bei einer Katalysatortemperatur von etwa 130 Grad Celsius begonnen, während dies im realen Straßenbetrieb erst bei einer Temperatur von etwa 150 Grad Celsius erfolgt. Über diese Fahrkurvenerkennung informierte die Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit E-Mail vom 1. Oktober 2015 und in einem Gespräch am 2. Oktober 2015. Entsprechend äußerte sich die Beklagte in einem an das Kraftfahrt-Bundesamt gerichteten Schreiben vom 29. Dezember 2015. Darin teilte sie überdies mit, dass die Akustikfunktion inklusive Fahrkurve aus allen neuen mit SCR-Technologie ausgestatteten Aggregate-Projekten seit November 2015 entfernt worden sei. Zugleich übersandte sie eine mit der Behörde inhaltlich abgesprochene Applikationsrichtlinie vom 18. November 2015.
Im Klägerfahrzeug wurde die Fahrkurvenerkennung am 20. April 2017 mittels Softwareupdates entfernt.
Für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs wurde kein emissionsbedingter Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr Fahrzeug bewusst und gewollt mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Unzulässig sei insbesondere das nicht zum Bauteilschutz erforderliche Thermofenster, das bewirke, dass die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unter 17 Grad Celsius und über 33 Grad Celsius sowie bei hohen Motordrehzahlen herabgesetzt bzw. abgeschaltet werde. Außerdem sei in der Motorsteuerungssoftware eine Zykluserkennung implementiert gewesen, die nach erkanntem Prüfstandslauf die Abgasrückführung und die Einspritzung von AdBlue in den SCR-Katalysator optimiert habe. Dies folge aus internen Dokumenten der Beklagten, insbesondere der Applikationsrichtlinie vom 18. November 2015. Messungen des D. U. e. V. hätten ergeben, dass der vorgegebene Stickoxidgrenzwert im realen Fahrbetrieb deutlich überschritten werde. Die Beklagte habe versucht, das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen, das sich auch aus einem verpflichtenden Rückruf des V.modells T6 ergebe, durch eine Manipulation des Onboard-Diagnose-Systems zu verschleiern. In Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtungen und der hiermit verbundenen Gefahr einer Betriebseinschränkung oder -untersagung hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zur Rückabwicklung des für sie ungünstigen Kaufvertrags verpflichtet sei. Die Beklagte habe vorsätzlich sittenwidrig und betrügerisch gehandelt, so dass sich ihr Anspruch s...