Verfahrensgang

LG Kassel (Aktenzeichen VsU 28.6.2022, 8 O 245/21)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 28. Juni 2022 wird aufrechterhalten.

Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das vorliegende Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 22.516,15 Euro für die Zeit bis zum 7. November 2022 und auf 20.878,02 Euro für die Zeit danach.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kraftfahrzeugkaufvertrags in Anspruch.

Am 16. Juli 2014 kaufte der Kläger von der Beklagten einen am 29. August 2013 erstzugelassenen Mercedes-Benz E 250 CDI mit einer Laufleistung von 20.000 km zum Preis von 38.159,50 Euro. Das Fahrzeug wurde bereits am 9. Juli 2014 auf den Kläger zugelassen. Das Fahrzeug wurde ihm einige Tage nach Kaufvertragsschluss übergeben.

Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) ausgestattet. Bei Motoren dieses Typs wird zur Verringerung der Stickoxidemissionen ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Außerhalb eines bestimmten - zwischen den Parteien streitigen - Lufttemperaturbereichs wird diese Abgasrückführung herabgesetzt (Thermofenster). Für das Fahrzeug wurde kein emissionsbedingter Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Januar 2021 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 24.671,48 Euro Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung seines Fahrzeugs auf.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe sein Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet, um eine Typgenehmigung zu erlangen. Nach erkanntem Prüfstandslauf werde zum einen die Abgasrückführungsrate erhöht; durch eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung werde die Motortemperatur herabgesetzt. Unzulässig sei auch das Thermofenster. Die Abgasrückführung funktioniere nur in einem Temperaturbereich zwischen 20 bis 30 Grad Celsius bzw. zwischen 10 und 32 Grad Celsius. Die Beklagte habe das Onboard-Diagnose-System des Fahrzeugs dergestalt manipuliert, dass es die massive Überschreitung der vorgegebenen Stickoxidgrenzwerte im realen Fahrbetrieb nicht anzeige. Da das Fahrzeug wegen dieser unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht zulassungsfähig sei, habe er mit dem Abschluss des für ihn ungünstigen Gebrauchtwagenkaufvertrags einen Schaden erlitten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 22.516,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Januar 2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 250 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 250 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... seit dem 29. Januar 2021 im Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 617,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Januar 2021 zu zahlen.

In Höhe eines Betrags von 2.155,33 Euro hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache - einseitig - für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen in Abrede gestellt und sich auf Verjährung berufen. Sie habe dem Kraftfahrt-Bundesamt stets angezeigt, dass die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert werde. Dem Kraftfahrt-Bundesamt sei auch bekannt gewesen, dass die Lufttemperatur ein Faktor bei der Steuerung von Dieselfahrzeugen sämtlicher Hersteller sei. Bei der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung handele es sich um einen herstellerübergreifend verwendeten Industriestandard. Eine auf den Prüfstand ausgerichtete Bedatung liege nicht vor. Die Abgasrückführung sei in einem Temperaturbereich zwischen - 30 und + 45 Grad Celsius aktiv. Das geregelte Kühlmittelthermostat funktioniere - unstreitig - unter gleichen Betriebsbedingungen auf dem Prüfstand nicht anders als im realen Straßenbetrieb. Angaben zum geregelten Kühlmittelthermostat seien im Zeitpunkt des Typgenehmigungsverfahrens nicht verlangt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Band IV Blatt 757 ff. der Akten) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 30. November 2021 hat das Landgeri...

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