Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung eines Loses mit Gewinn eines Einkaufsgutscheins als Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht

 

Normenkette

AMG § 78; HeilMWerbG § 7 Abs. 1 Nr. 1; UWG § 4 Nr. 11, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 04.02.2014; Aktenzeichen 12 O 401/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 4.2.2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, geschäftlich handelnd einem Kunden, der ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlöst, einen kostenfreien Einkaufsgutschein auszugeben, wie in Anlage Ast 4 der Antragsschrift wiedergegeben.

Die Kosten des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist Inhaberin der "X-Apotheke" in Stadt1. Sie händigt Kunden anlässlich der Einlösung eines Kassenrezepts über ein verschreibungspflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel sog. "X-Lose" aus. Zu den Gewinnen, die auf dem Los "freigerubbelt" werden müssen, gehört auch ein Einkaufsgutschein über 1,- EUR. Die Antragstellerin - ein Wettbewerbsverband - nimmt die Antragsgegnerin deswegen auf Unterlassung in Anspruch. Das LG hat den Eilantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Form des Hilfsantrages - der ergänzend auf ein "X-Los" mit dem "freigerubbelten" Gewinn "1 EUR Einkaufsgutschein" Bezug nimmt - aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 III Nr. 2 UWG i.V.m. § 78 II 2, 3, III 1 AMG, § 3 AMPreisV zu.

1. Die Aushändigung eines Loses, dessen Gewinn in einem Einkaufsgutschein über 1 EUR besteht, anlässlich der Abgabe eines rezeptpflichtigen, preisgebundenen Arzneimittels verstößt gegen § 78 II 2, 3, III 1 AMG, § 3 AMPreisV.

Die genannten Bestimmungen des Arzneimittelpreisrechts sollen die Einhaltung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises sichern, d.h. jeden Preiswettbewerb zwischen Apotheken beim Verkauf preisgebundener Arzneimittel verhindern. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 2013, 1264 - RezeptBonus, juris-Tz. 13; GRUR 2010, 1136 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, juris-Tz. 17 ff.; MPR 2010, 204 - Bonussystem, juris-Tz. 14) liegt ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung daher auch vor, wenn dem Kunden gekoppelt mit dem Erwerb des - zum festgesetzten Preis abgegebenen - Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn - was hier allerdings nicht in Rede steht - der Vorteil auch aus einem anderen Grund, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss, gewährt wird (vgl. BGH - RezeptBonus, a.a.O.). Als unzulässige wirtschaftliche Vorteile kommen dabei grundsätzlich auch Prämien oder Gutscheine von geringem Wert in Betracht (im Fall "Bonussystem", a.a.O., i.H.v. 0,40 EUR), solange sie nur geeignet sind, den unerwünschten Preiswettbewerb zwischen Apotheken zu beeinflussen, weil der Verbraucher veranlasst werden kann, sich künftig erneut für die Apotheke zu entscheiden, von der er den Vorteil erhalten hat.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung zu bejahen. Der Wert des dem Kunden gewährten Einkaufsgutscheins von 1 EUR liegt als solcher über der Grenze, die den Preiswettbewerb beeinflussen kann. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin diesen Einkaufsgutschein nicht "offen", sondern als Gewinn innerhalb eines überreichten "Rubbelloses" gewährt. Auch wenn der Kunde erst nach dem "Freirubbeln" des Loses erfährt, dass sein Gewinn in einem Einkaufsgutschein besteht, kann ihn dies veranlassen, sich bei nächster Gelegenheit zur Einlösung eines Rezepts wiederum an die Apotheke der Antragsgegnerin zu wenden, weil er hofft, dass auch der Gewinn des nächsten Loses wiederum in einem solchen Einkaufsgutschein oder in einem sonstigen wirtschaftlichen Vorteil von gleichem Wert besteht. Auf die Frage, wie hoch die Gewinnchance dabei tatsächlich ist, kommt es nicht an. Denn gerade wenn der Kunde bereits einen Einkaufsgutschein gewonnen hat, wird er die - ihm nicht bekannte - Gewinnchance nicht so gering einschätzen, als dass seine künftige Kaufentscheidung davon unbeeinflusst bliebe.

2. In der Verletzung der genannten arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen liegt zugleich ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 11 UWG, da es sich bei diesen Vorschriften um Marktverhaltensregeln handelt (vgl. BGH - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, a.a.O., juris-Tz. 22).

3. Das beanstandete Verhalten der Antr...

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