Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Tonträgerherstellereigenschaft durch Vorlage des Auftragsproduzentenvertrags; Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing
Leitsatz (amtlich)
1. Im Fall eines vom Wortlaut nicht eindeutigen P & C Vermerks kann jedenfalls der Nachweis der Tonträgerherstellereigenschaft durch Vorlage des Auftragsproduzentenvertrags geführt werden.
2. Die im Wege der Lizenzanalogie geltend gemachte Nutzungsentschädigung für ein über Filesharing öffentlich zugänglich gemachtes Musikstück der aktuellen Charts über einen Zeitraum von mehreren Wochen mit einer unbekannten Zahl an Zugriffen wird auf EUR 200 geschätzt (Fortführung 11 U 115/13).
Normenkette
UrhG §§ 83, 85, 97
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.11.2013; Aktenzeichen 2-3 O 55/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 7.11.2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 707,50 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 19.9.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 18 % und der Beklagte 82 % zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 13/15 und der Beklagte 2/15 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Verletzung der von ihr geltend gemachten Rechte als Tonträgerherstellerin wegen einer Beteiligung des Beklagten an einer Internet-Tauschbörse in Anspruch.
Die Klägerin macht Tonträgerherstellerrechte an der Tonaufnahme des Musikstücks "A" der Musikgruppe "B" geltend. Auf einem CD-Cover der Tonaufnahme befindet sich folgender Vermerk: "(P) & (C) 2011 ... Digital, a Division of C. GmbH, under exclusive license to D1 ..., a division of D. GmbH" (Bl. 174 d.A.).
Die Klägerin hat zunächst mit einem dem Beklagten am 19.9.2012 zugestellten Mahnbescheid Nutzungsentschädigung i.H.v. EUR 200 sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten geltend gemacht, die Klage sodann um einen Unterlassungsanspruch erweitert und den Mindestbetrag der geltend gemachten Nutzungsentschädigung zunächst auf EUR 400 und schließlich auf EUR 1500 erhöht. Den Unterlassungsantrag haben die Parteien erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Das LG hat mit Urteil vom 13.2.2014, auf dessen Tatbestand wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage hinsichtlich der geltend gemachten Nutzungsentschädigung i.H.v. EUR 150 sowie hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten i.H.v. EUR 507,50 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, es bestehe gem. §§ 85 Abs. 4, 10 Abs. 1 UrhG auch zugunsten des Tonträgerherstellers eine gesetzliche Vermutung der Rechteinhaberschaft. Der hier vorliegende sog. P-Vermerk weise auf die Klägerin hin. Ihre Rechte seien durch das öffentliche Zugänglichmachen verletzt. Es hat die angemessene Nutzungsentschädigung auf EUR 150 geschätzt, da einerseits nicht feststellbar sei, dass der Beklagte über einen besonders langen Zeitraum immer wieder den Titel im Rahmen der Tauschbörse angeboten habe und andererseits der Titel zur fraglichen Zeit verhältnismäßig aktuell und beliebt gewesen sei. In vergleichbar gelagerten Fällen spreche die Kammer regelmäßig EUR 150 je zugänglichgemachtem Titel aus; es bestehe kein Anlass, hiervon abzuweichen.
Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 6.3.2014 zugestellt worden ist, hat diese mit am 12.3.2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, mit der sie den von ihr bereits erstinstanzlich geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentschädigung i.H.v. EUR 1500 weiterverfolgt und mithin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von EUR 2007,50 begehrt.
Sie meint, das LG habe bei der Schätzung der Nutzungsentschädigung auf EUR 150 ihren Vortrag zu den von ihr dargelegten unstreitigen Vergleichstarifen außer Acht gelassen. Es fehle an einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Das LG habe die Schätzung aufgrund seiner tatsächlich nicht bestehenden Sachkenntnis aufgrund einer angeblichen "Üblichkeit" vorgenommen und die von ihr angebotenen Beweise nicht ausgeschöpft. Bei der kostenlosen Vervielfältigung von Werken, bei denen die Anzahl der Vervielfältigungsvorgänge unbekannt bzw. nicht messbar sei, würden typischerweise Pauschalvergütungen vereinbart, die sich im vier- bis sechsstelligen Eurobereich bewegten. Hierbei seien vorliegend als Faktoren ein Lizenzzeitraum von mindestens einem Jahr, eine Nutzung weltweit und eine Rechtsverletzung in der marktrelevanten Erstverkaufsphase bezüglich eines "Charthits" mit hohem Marktwert zu berücksichtigen. Da diese Umstände unstreitig seien, hä...