Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Keine Ansprüche für im März 2018 erworbenen gebrauchten Golf mit Motor EA288
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.07.2021; Aktenzeichen 2-28 O 252/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.07.2021 (Az.: 2-28 O 252/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadenersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Der Kläger erwarb ausweislich der verbindlichen Bestellung vom 29.03.2018 (vgl. Anlage K1a, Bl. 27 d. A.) von einem gewerblichen Autohändler einen gebrauchten PKW VW Golf Sportsvan 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 26.502,43 EUR. Der Kaufpreis wurde von dem Kläger fremdfinanziert über die VW Bank (vgl. Darlehensantrag, Anlage 1b, Bl. 28 d. A.) Das Fahrzeug wurde erstmals zum 13.12.2016 zugelassen und wies zum Zeitpunkt des Kaufs eine Laufleistung von 11.555 km auf.
In das - in die Emissionsklasse Euronorm 6 eingestufte - Fahrzeug wurde unstreitig ein Dieselmotor des Typs EA 288 von der Beklagten verbaut. Das Fahrzeug verfügt über eine Technologie zur Stickoxidausstoßreduktion in Form einer Abgasrückführung (AGR), bei der durch das Ansaugsystem des Motors teilweise Abgase zurückgeführt werden und erneut an der Verbrennung teilnehmen. Der Umfang der in den Motor zurückgeführten Abgase erfolgt unter anderem temperaturgesteuert (sog. "Thermofenster"). Daneben erfolgt die Abgasnachbehandlung mithilfe eines Katalysators.
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einer Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes (nachfolgend: KBA) betroffen; ein Software-Update wurde nicht aufgespielt.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger ursprünglich die Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug der für die bislang gefahrenen Kilometer anzurechnenden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs - hilfsweise die Erstattung der gezahlten Darlehensraten - sowie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten begehrt.
Der Kläger hat behauptet, der Motor seines Fahrzeugs verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer temperaturgesteuerten Abgasrückführung ("Thermofenster"). Das Thermofenster bewirke, dass die Abgasrückführung bereits bei Temperaturen unter 15°C reduziert oder abgeschaltet werde, so dass die Stickoxidemission erheblich anstiegen. Durch die unzulässigen Abschalteinrichtungen funktioniere die volle Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand, wohingegen im Straßenbetrieb Teile des Emissionskontrollsystems außer Betrieb gesetzt würden, weshalb dort die Stickoxidemissionen erheblich höher seien und die Schadstoffgrenzwerte nicht eingehalten würden.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtungen rechtfertige eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB, wobei sie eine sekundäre Darlegungslast treffe. Daneben seien Schadenersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV gegeben.
Mit Schriftsatz vom 25.03.2021 (vgl. S. 54 ff., Bl. 171 ff. d. A.) hat der Kläger der Beklagten weitere unzulässige Abschalteinrichtungen in Form einer Zyklus- oder Fahrkurvenerkennung, einer Manipulation der Schaltpunkte des Getriebes und des OBD-Systems (On-Board-Diagnose) vorgeworfen. Zum Nachweis der behaupteten prüfstandbezogenen Zykluserkennung hat er sich insbesondere auf das Dokument "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288" der Beklagten (vgl. Anlage K21, Anlagenband) gestützt, welche das planvolle Vorgehen und die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung belege. Im streitgegenständlichen Fahrzeug komme es nachweislich zu einer erheblichen Überschreitung der normierten Stickoxidgrenzwerte im Realbetrieb, was ein starkes Indiz für die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sei (vgl. S. 69 ff., Bl. 186 ff. d. A.).
Die Beklagte hat das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im Motor EA 288 in Abrede gestellt und die Behauptungen des Klägers als unsubstantiiert gerügt. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien keine, der sog. "Umschaltlogik" bei den Motoren des Typs EA 189 vergleichbare Abschalteinrichtungen verbaut. Dies gehe auch aus den umfangreichen Messungen hervor, die das KBA seit Bekanntwerdend des sog. "Dieselskandals" durchgeführt habe (vgl. Klageerwiderung vom 17.02.2021, S. 12 ff, Bl. 79 ff. d. A.).
Das im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Thermofenster sei bei Außentemperaturen zwischen -24°C und + 70°C vollständig aktiv; die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Abschalteinrichtung seien nicht erfüllt (vgl. Klageerwiderung, S. 15 ff., Bl. 82 ff. d. A.). Das Fahrzeug verfüge auch nicht über eine...