Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des infolge eines Wettbewerbsverstoßes entgangenen Gewinns; Höhe der Geschäftsgebühr bei Anschlussschreiben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat die wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers dazu geführt, dass Kunden dieses Unternehmens bestehende Vertragsverhältnisse gekündigt haben, hat der Verletzer grundsätzlich den dadurch verursachten entgangenen Gewinn des Mitbewerbers zu ersetzen. Bei der Berechnung des Schadens ist von der mit den Kunden vereinbarten Vergütung auszugehen. Jedoch sind im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur ersparte Aufwendungen des Geschädigten, sondern auch solche Einnahmen zu berücksichtigen, die der Geschädigte an Stelle der vereinbarten Vergütung erzielt hat (im Streitfall: Vergabe von Anzeigenraum an andere Kunden).

2. Die Tätigkeit eines Anwalts im Zusammenhang mit einem Abschlussschreiben löst jedenfalls dann eine Geschäftsgebühr von 1,3 aus, wenn auf dieses Schreiben hin eine modifizierte Abschlusserklärung abgegeben wird, die eine (weitere) Prüfung der Frage erforderlich macht, ob mit dieser Abschlusserklärung das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage entfallen ist.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 7, § 9

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.04.2012; Aktenzeichen 2-6 O 223/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 20.4.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 14.501,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.6.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 74 %, die Beklagte zu 26 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 71 %, die Beklagte zu 29 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für behauptete Wettbewerbsverstöße.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Anzeigenwerbung. Die Klägerin schließt mit ihren Kunden Verträge, in denen sie sich zu einem bestimmten Nettojahrespreis verpflichtet, Stadtpläne bzw. Faltpläne mit der Werbeanzeige des Auftraggebers zu erstellen und zu verteilen. Auf dem Vertragsformular können verschiedene Laufzeiten zwischen einem und fünf Jahren angekreuzt werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K13-16 Bezug genommen. Die Beklagte nahm die Klägerin wiederholt und erfolgreich wegen verschiedener Wettbewerbsverstöße gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte veröffentlichte auf ihrer Internetseite in der Rubrik "Vorsicht Falle" unter der Überschrift "Anzeigenwerbung" eine Auflistung von Verlagen, mit denen sie wettbewerbsrechtliche Verfahren geführt hat oder noch führt. Zur Klägerin schaltete sie einen Eintrag mit deren Adresse, Name der Geschäftsführerin und Titel der Publikation "Kinder in Gefahr im Straßenverkehr". Ferner heißt es unter "Maßnahmen" wie folgt (Anlage K1):

"Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 9.4.2008/wiederholte Verstöße

Einstweilige Verfügung LG Darmstadt vom 18.5.2009 (14 O 133/09)"

Die Klägerin mahnte die Beklagte am 1.6.2010 erfolglos ab und erwirkte eine einstweilige Verfügung des LG Frankfurt (Anlagen K2). Unter dem 10.8.2010 ließ sie der Beklagten ein Abschlussschreiben zusenden (Anlage K3). Die einstweilige Verfügung wurde mit Urteil vom 10.12.2010 bestätigt (Anlage K4). In der Folge änderte die Beklagte den Eintrag über die Klägerin ab. Sie ergänzte weitere gegenüber der Klägerin ergangene Gerichtsentscheidungen und benannte nunmehr stichwortartig das wettbewerbswidrige Verhalten wie folgt:

"Vorgehen gegen Verstöße gegen das Verbot der Telefonwerbung, wegen irreführender Angaben in Telefongesprächen und wegen herabsetzender Äußerungen."

Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben vom 15.2.2011 erneut abmahnen (Anlage K10), woraufhin die Beklagte am 17.2.2011 ihre Seiten erneut änderte (Anlage K11).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von EUR 55.103,60 zu verurteilen. Sie hat behauptet, in Reaktion auf die Veröffentlichungen der Beklagten hätten mehrere Kunden ihre Anzeigenverträge mit der Klägerin gekündigt. Dadurch sei ihr die vereinbarte Vergütung entgangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere ...

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