Entscheidungsstichwort (Thema)

Soweit der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt er bei Zahlungen in der Regel mit bedingtem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, weil er es für möglich hält, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, und dies billigend in Kauf nimmt, indem er dennoch an einen Gläubiger leistet.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.07.2017; Aktenzeichen 2-04 O 398/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juli 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-04 O 398/16) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.265,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A (künftig: Schuldner) das beklagte Land in Höhe von 39.265,32 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf Rückerstattung von Zahlungen in Anspruch, die auf Steuerschulden der X OHG bzw. des Schuldners geleistet wurden.

Der Schuldner war Gesellschafter und Geschäftsführer der X OHG. Die einzige Mitgesellschafterin schied nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt "Anfang 2014" aus der Gesellschaft aus. Gemäß § 8 des - nicht vorgelegten - Gesellschaftsvertrags wuchs damit unstreitig der Geschäftsanteil der Mitgesellschafterin beim Schuldner an.

Unter dem 30.08.2012 mahnte das Finanzamt Stadt1 bei der OHG am 10.08.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Juni 2012 an, unter dem 27.09.2012 dann am 10.09.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Juli 2012 und unter dem 03.01.2013 am 10.12.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Oktober 2012. Auf die Anlagen K 10 bis K 12 wird Bezug genommen. Namens der OHG bat der Schuldner mit Schreiben vom 08.03.2012 um eine Stundung offener Umsatzsteuern bis zum 10.04.2013, welche das Finanzamt verweigerte (Anlagen K 13 und K 14). Unter dem 20.02.2014 kündigte das Finanzamt eine Vollstreckung wegen rückständiger Lohnsteuer, Solidaritätszuschläge und Kirchensteuer an (K 15). Unter dem 27.02.2014 mahnte es am 10.02.2014 fällig gewesene Umsatzsteuer für Dezember 2014 sowie eine am selben Tag fällig gewesene Umsatzsteuervorauszahlung an (K 16). Am 21.03.2014 wurde eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die Bank der OHG wegen einer Forderung des Fiskus in Höhe von 11.889,71 EUR zugestellt, am 10.01.2014, 10.02.2014 und 10.03.2014 fällig gewesener Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen sowie wegen am 10.01.2014 fällig gewesener Lohn- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlags nebst Säumniszuschlägen (K 17). Am 27.03.2014 wurde der zu vollstreckende Betrag an das Finanzamt überwiesen. Diese Zahlung ficht der Kläger nicht an. Angefochten sind folgende Zahlungen und Überweisungen:

Zahlung vom 03.06.2014 in Höhe von 4.412,44 EUR,

zwei Zahlungen vom 02.07.2014 in Höhe von 2.594,00 EUR, und 2.966,51 EUR,

eine Überweisung vom 02.10.2014 in Höhe von 13.350,97 EUR, die im Wesentlichen Umsatzsteuer für Mai, Juni und Juli 2014 betroffen hat und der die Zustellung einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die Bank vom 24.09.2014 über denselben Betrag vorausgegangen war,

eine Zahlung vom 02.12.2014 in Höhe von 2.541,85 EUR,

zwei Zahlungen vom 05.01.2015 in Höhe von 3.221,18 EUR und 4.838,87 EUR sowie

eine Zahlung vom 02.02.2015 in Höhe von 5.339,50 EUR.

Auf den am 30.03.2015 beim Amtsgericht Stadt2 eingegangen Insolvenzantrag hin wurde am 24.04.2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. In Unkenntnis der Beendigung der OHG unternahm das Finanzamt am 14.05.2015 noch einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch in das ursprünglich der OHG gehörende Konto, worauf es am 28.05.2015 die Mitteilung der Bank über Erlöschen der OHG erhielt. Am 23.01.2017 wurde die Löschung der OHG im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger hat behauptet, dass der Schuldner seit Anfang 2014 nur rund 30% der Miete für die Gewerberäume an die Vermieterin gezahlt habe. Diese hat - vom Kläger bestrittene - Forderungen in Höhe von 179.835,34 EUR zur Tabelle angemeldet, darüber hinaus nicht bestrittene titulierte Rückstände aus den Monaten Januar bis April 2014 in Höhe von 38.748,88 EUR. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es alleine entscheidend sei, dass der Schuldner das Fitnessstudio unter der Steuernummer der früheren OHG weiter geführt habe. Daraus ergebe sich auch die Kenntnis des Fiskus' bezüglich des Unternehmens und der Steuernummer. Daher habe das Finanzamt über alle Informationen bezüglich der Gesellschafts...

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