Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschaltung von 0190-Rufnummern

 

Leitsatz (amtlich)

Telefonnetzbetreiber muss für Abschaltung von 0190-Rufmummer-Verbindungen sorgen.

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 11.12.2002; Aktenzeichen 5 O 134/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Gießen vom 11.12.2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 115,77 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 4.10.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 5.456,14 Euro.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 115,77 Euro.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Bezahlung des noch offen stehenden Betrages aus einer Telefonrechnung für den ISDN-Anschluss des Beklagten vom 28.7.2000 i.H.v. 10.897,70 DM bzw. 5.571,91 Euro. Dieser Betrag ist angefallen für insgesamt drei Verbindungen zu 0190-Nummern, wobei ein Betrag i.H.v. 4.799,51 Euro (ohne MWSt) auf eine Verbindung entfällt, die am 7.7.2000 um 3:10 Uhr begonnen wurde und 50 Std 1 Minute und 34 sek. gedauert hat (vgl. Verbindungsliste Bl. 29 d.A.). Vorausgegangen war eine Verbindung am selben Tage um 16:59 Uhr mit einer Dauer von 2 Minuten 26 Sekunden. Die dritte Verbindung ist nicht im Einzelnen dokumentiert. Das Zustandekommen der Verbindung ist nach der Feststellung des LG unstreitig.

Vorprozessual hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die Gebühreneinheiten für den 0190-Service durch den minderjährigen Sohn des Beklagten verursacht worden seien. Bei seiner Vernehmung vor dem LG hat der minderjährige Sohn des Beklagten jedoch in Abrede gestellt, überhaupt jemals eine Sex-Hotline mit 0190-Nummer angerufen zu haben, er habe lediglich einmal bei einem Preisrätsel mit einer solchen Nummer zur Durchsage des Lösungsworts angerufen.

Die Klägerin ist in beiden Instanzen der Auffassung, dass der Beklagte innerhalb der gem. Ziff. 6 der AGB der Klägerin festgelegten Acht-Wochen-Frist keine Einwände erhoben hat und deshalb in jedem Falle zur Zahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet sei. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass sie keine Verpflichtung habe, entgegen anderslautender Rechtsprechung Verbindungen zu einem 0190-Service nach einer Stunde zu trennen. Sie hat hierzu ein Urteil des LG Hamburg vom 2.11.2001 (Bl. 77 ff. d.A.) vorgelegt.

Die Klägerin hat eingeräumt, dass sie mit Anbietern von Service-0190-Nummern, mit denen sie in Vertragsbeziehungen stehe, vereinbart habe, dass die maximale Dauer einer Verbindung auf eine Stunde begrenzt wird. Jedoch könne die von dem Beklagten bzw. Familienangehörigen angewählte 0190-Nummer nicht der Klägerin zuordnet werden, so dass die Klägerin mangels vertraglicher Grundlage schon aus Rechtsgründen keinen Einfluss auf die vom Anschluss des Beklagten zu einem Drittanbieter aufgebaute Verbindung habe nehmen können. Eine zwangsweise Unterbrechung der Verbindung eines anderen Telefon-Providers sei ihr nicht möglich.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf das von ihr vorgelegte Urteil des LG Heidelberg vom 17.5.2002 (Bl. 63 d.A.) bezogen, nach welchem auf Grund allgemeiner Vertragspflichten die Verpflichtung bestehe, die Verbindungen zum 0190-Service nach einer Stunde zu unterbrechen, um Vermögensschädigungen des Telefonkunden zu vermeiden.

Das LG in Gießen hat der Klage durch Urteil vom 11.12.2002 nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des 16-jährigen Sohnes des Beklagten sowie eines Sachbearbeiters der Klägerin stattgegeben und eine Verpflichtung der Klägerin zur Unterbrechung der Telefonverbindung nach einer Stunde entgegen der Ansicht des LG Heidelberg ausdrücklich verneint. Es hat insb. eine vertragliche Grundlage für eine solche Verpflichtung nicht zu erkennen vermocht, zumal mit einer solchen Verpflichtung in die Rechte von 3., nämlich der Diensteanbieter, eingegriffen werde. Deshalb sei eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die bisher nicht bestehe.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des LG Bezug genommen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Hamm (OLG Hamm, Urt. v. 5.11.2002 - 19 U 41/02, CR 2003, 261 = OLGReport Hamm 2003, 41 = NJW 2003, 760 ff.).

Der Beklagte hat vorsorglich die Aufrechnung mit einem ihm zustehenden Anspruch aus pVV der Klägerin in Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Rechnung erklärt.

Er beantragt im Hinblick auf die beim BGH anhängige Revision gegen das Urteil des OLG Hamm die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG Gießen vom 11.12.2002 die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Berufungsbegr...

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