Leitsatz (amtlich)
Ein Notar verstößt gegen die ihm aus §§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO und 17 Abs. 1 BeurkG obliegenden Amtspflichten, wenn er es bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages unterlässt, auf die Gefahren der mit der Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises vor der tatsächlichen Bezahlung von Erschließungskosten ungesicherten Vorleistung hinzuweisen und den Parteien Wege aufzuzeigen, wie dieses Risiko durch eine andere Vertragsgestaltung vermieden werden kann.
Normenkette
BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 14
Verfahrensgang
LG Gießen (Aktenzeichen 4 O 116/04) |
Gründe
I. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Pflichten im Zusammenhang mit der Beurkundung des jeweiligen Grundstückskaufvertrages, weil sie von der Stadt O1 nach Insolvenz der Verkäuferin auf Zahlung der an sich von dieser zu tragenden Erschließungskosten für das jeweilige Hausgrundstück in Anspruch genommen wurden. Wegen das Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Die Darstellung des Tatbestandes ist dahin zu ergänzen, dass die Kläger neben dem Grundstückskaufvertrag mit der A-... GmbH mit der B-GmbH jeweils einen notariellen Werkvertrag zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses (Reihenhaus) schlossen. Gemäß Ziff. 1.2 dieses notariellen Vertrages ergeben sich der Leistungsumfang und die Bauausführung aus der Bau- und Ausstattungsbeschreibung für den Haustyp "X" in der Ausführungsversion Standard, die in der notariellen Urkunde vom 20.4.2004 zur Urkundenrollen-Nummer .../04 des Beklagten zu 1) niedergelegt ist. In der Bau- und Ausstattungsbeschreibung ist unter 1.0 Allgemeines ausgeführt: "... anfallende Kosten für die Ersterschließung (Kanal, Wasser, Strom, Straßen) gegenüber des Ersterschließungsträgers trägt der AN ...".
Zudem hat der Beklagte zu 1) weiter behauptet, bei allen von ihm beurkundeten Grundstückskaufverträgen die vertraglichen Formulierungen zum Anlass genommen zu haben, dass Thema Anlieger- und Erschließungskosten mit den Vertragsbeteiligten zu erörtern. Auf ausdrückliches Befragen sei von den Verantwortlichen der Verkäuferin die Erklärung erfolgt, dass bislang angeforderte Vorauszahlungen von ihr beglichen worden seien, über die Höhe der noch zu erwartenden Beträge sowie den Zeitpunkt ihrer Anforderung durch die Stadt O1 gebe es noch keine konkreten Angaben der Verwaltung, so dass diese noch nicht einmal bereit sei, ungefähre Angaben zu machen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, wobei es unentschieden gelassen hat, ob die ungesicherten Erschließungskosten als ungesicherten Vorleistungen zu qualifizieren seien.
Alle regelungsbedürftigen Fragen (§ 17 Abs. 1 BeurkG) seien von den Beklagten angesprochen worden. Zunächst könne nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass den Klägern bekannt gewesen sei, von der Gemeinde auf Zahlung von Anlieger -und Erschließungsbeiträgen in Anspruch genommen werden zu können, sobald sie das Eigentum an dem von der Verkäuferin erworbenen Grundbesitz erlangt hatten.
Dass die Kläger ihren Freistellungsanspruch nicht würden realisieren können, falls die Firma A-... GmbH, wie geschehen, in Insolvenz geriete, sei eine so selbstverständliche Schlussfolgerung, dass die Beklagten nicht verpflichtet gewesen seien, hierüber ausdrücklich zu belehren, weshalb auch offen bleiben könne, ob sie dies, wie sie es behaupteten, getan hätten.
Selbst wenn man unterstelle, die ungesicherten Erschließungskosten seien als ungesicherte Vorleistungen zu qualifizieren, hätten die Beklagten ihre vom BGH festgelegte doppelte Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG nicht verletzt.
Zur Belehrung über das Vorliegen einer ungesicherten Vorleistung und die Folgen, die sich daraus ergeben könnten - erste Pflicht - seien die Beklagten, wie ausgeführt, nicht verpflichtet gewesen. Sie hätten nämlich davon ausgehen dürfen, dass diese einfachsten wirtschaftlichen Überlegungen auch von den Klägern als juristischen Laien angestellt würden. Aber auch die zweite Pflicht, Wege aufzuzeigen, wie das Risiko der Nichtrealisierung des Freistellungsanspruchs bei Insolvenz der Verkäuferin vermieden werden könne, sei nicht verletzt. Nicht jedes theoretisch vermeidbare Risiko eines Vertragsschlusses gebe es einem Notar auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es habe für die Beklagten auch kein besonderer Anlass zu einer anderen Vorgehensweise bestanden, denn konkrete und den Beklagten bekannte Anhaltspunkte, die einen Vermögensverfall der Verkäuferin und damit die mangelnde Durchsetzbarkeit der Freistellungsansprüche der Kläger befürchten ließen, seien nicht dargetan.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger zu 1) bis 4), 6) bis 11) und 13) bis 23), die ihre erstinstanzlich gestellten Anträge jeweils insgesamt als Zahlungsantrag entsprechend den nunmehr vollständig vorliegenden Bescheiden der Stadt O1 weiterverfolgen. Die Kläger behaupten, auch die jeweils sonstigen Erschließungskosten gezahlt zu haben.
Sie vertreten die Auffassung, die bei Absc...