Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Pflicht zur Einbindung des Autozulieferers in Anfrageprozesse
Normenkette
BGB §§ 198, 280
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 13.11.2015; Aktenzeichen 14 O 34/00) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivilkammer - 3. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Darmstadt vom 13. November 2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Revisionsverfahren zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.
Gründe
I. Die der "A-Gruppe" angehörende Klägerin lieferte Kunststoffteile an Kraftfahrzeughersteller. Zum "Produktionsspektrum" der Klägerin gehören alle Bauteile für Kraftfahrzeuge, die aus Kunststoff, Thermoplasten und Polyurethan hergestellt werden können. Die Beklagte stand mit ihr in Geschäftsbeziehungen. Zu den Zulieferern der Beklagten gehörten bis zum 30.9.1994 auch die Firma1, die im Sommer 199X in Konkurs fielen und in der Folge durch die Klägerin vom Konkursverwalter übernommen wurden. Firma1 hatte die Beklagte vor dem Konkursverfahren in einem Volumen von etwa 181 Millionen DM jährlich beliefert, zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Klägerin war dieses auf 119 Millionen DM gesunken.
Nach der Übernahme hat die Klägerin mit der Beklagten und anderen Automobilherstellern Verhandlungen über die zukünftigen Vertragsbeziehungen geführt.
Am 14.6.1995 trafen die Parteien eine Vereinbarung (Anlage K 1, Bl. 23ff/I d. A.), nach der der Mehrheitsgesellschafter A sich - unter Vorbehalt einer fortbestehenden Minderheitsbeteiligung - von den übernommenen Unternehmen trennen wollte. Die Belieferung der Beklagten im Rahmen der bestehenden Lieferverpflichtungen sollte aufrechterhalten bleiben (Ziffer 2 der Vereinbarung). Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
"9. Der Hersteller bindet die A bei allen benötigten Kunststoffteilen, Baugruppen, Systemen und Modulen frühzeitig in den Anfrageprozess ein. Gibt die A das wettbewerbsfähigste Angebot ab, wird der Auftrag an A vergeben. Für die Wettbewerbsfähigkeit sind die Faktoren Preis, Qualität, Technik und Lieferfähigkeit ausschließlich maßgeblich. A erhält Gelegenheit zu einem Nachtragsangebot. Dabei ist vom Hersteller auf technische Unterschiede zwischen dem wettbewerbsfähigsten und dem A- Angebot hinzuweisen. Ist das Nachtragsangebot wettbewerbsfähig im vorbezeichneten Sinne, wird der Auftrag an A vergeben.
Die Verpflichtung zur Anfrage wird eingegrenzt auf diejenigen Teile, die in das Produktionsspektrum der A fallen.
10. Die Maßgaben der Ziffer 9 gelten auch dann, wenn ein anderer Lieferant laufende Serienteile nicht mehr liefern kann oder will. Dabei wird A vor einer Verlagerung zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Bei gravierenden Preiserhöhungsverlangen bisheriger Lieferanten werden grundsätzlich Ausschreibungen unter Berücksichtigung der A durchgeführt. Als gravierend wird ein Preiserhöhungsverlangen von 10 % und mehr gegenüber dem ursprünglichen Preis bei Teilen mit mehr als 1 Mio. DM Jahresumsatz angesehen. Bei sonstigen Anfrageaktionen wird A ebenfalls angefragt."
Die Vereinbarung vom 14.6.1995 endete zum 31.12.1995. Während dieses Zeitraums fragte die Beklagte entsprechend dieser Vereinbarung Zulieferungen der Klägerin in einem Gesamtvolumen von 90 Millionen DM ab und erteilte der Klägerin Aufträge im Volumen von 1,8 Millionen DM.
Mit ihrer am 30.12.1999 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin der Beklagten vorgeworfen, sie - die Klägerin - nur für wirtschaftlich uninteressante Kleinteile durch "Alibianfragen" in den Anfrageprozess eingebunden, nicht hingegen - insoweit unstreitig - an der Auftragsvergabe für Stoßfänger, Instrumententafeln, Innenverkleidung und Mittelkonsolen beteiligt zu haben. Dies habe insbesondere das Projekt ... der Beklagten betroffen, wobei es sich um das Marke1-modell des Jahres 1997 handelte. Dadurch sei der Klägerin, so ihr Vortrag in der Klageschrift, ein Schaden in Höhe von mindestens 1 Million DM entstanden.
Die Beklagte hat darauf erwidert, dass - insoweit unstreitig - die Instrumententafeln ebenso wie die Türverkleidungen aus einem Holzfaserwerkstoff als Träger der Kunststoffverkleidung bestehen und deshalb nicht in das "Produktspektrum" der Klägerin fielen. Die Stoßfänger seien nicht angefragt worden, weil die Klägerin nicht über eine geeignete Lackieranlage für die in Wagenfarbe zu lackierenden Stoßfänger verfüge. Die Mittelkonsole sei, wie bereits beim Vorgängermodell, für das Projekt ... bei der Beklagten in Hausfertigung produziert worden.
Mit der Behauptung, die Beklagte habe sich an die Vereinbarung vom 14.6.1995 nicht gehalten und die Klägerin nur vereinzelt in den Anfrageprozess nac...