Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen Bauträger wegen Baumängeln am Gemeinschaftseigentum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erwerber von Wohnungseigentum kann im formularmäßigen Bauträgervertrag nicht an Abnahmeerklärungen zum Gemeinschaftseigentum gebunden werden, die ein ihm vom Bauträger vorgegebener Sachverständiger oder der erste Verwalter abgeben.

2. Ebenso wenig kommt eine Bindung solcher Erwerber an bereits abgegebene Abnahmeerklärungen des Sachverständigen oder des Verwalters in Betracht, die ihren Bauträgervertrag erst nachher abschließen ("Nachzügler").

3. Der Rechtsanwalt verstößt nicht allein dadurch gegen das Gebot des sichersten Weges, dass er nicht vorsorglich lange vor Eintritt der Verjährung die Klage für den Mandanten einreicht und dadurch das Risiko fern liegender gerichtlicher Fehlbeurteilungen vermeidet.

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 634a Abs. 1 Nr. 2, §§ 635, 638, 640 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.12.2011; Aktenzeichen 2-27 O 269/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.12.2011 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klageforderung besteht nicht. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden - die Kosten des erfolglos geführten Vorprozesses - beruht nicht auf einer Pflichtverletzung des ursprünglichen, im Laufe des Berufungsverfahrens verstorbenen Beklagten (nachfolgend vereinfachend als Beklagter bezeichnet), sondern darauf, dass das LG im Vorprozess den Schadensersatzanspruch der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger unvorhersehbar zu Unrecht als verjährt angesehen hat, ohne dass der Beklagte hierzu pflichtwidrig beigetragen hätte.

1. Eine Haftung des Beklagten lässt sich entgegen der Ansicht des LG im angefochtenen Urteil nicht damit begründen, dass der Beklagte die Klägerin nicht hinreichend auf die Folgen der rügelosen Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB hingewiesen hat. Ein solcher Hinweis war schon deshalb nicht geboten, weil eine rügelose Abnahme die Berechtigung des Bestellers, Schadensersatz wegen eines Mangels zu verlangen, unberührt lässt (vgl. nur BGH NJW 1980, 1952 f.; Pause/Vogel, in: Kniffka, Bauvertragsrecht, § 640 Rz. 75). Der Beklagte hat im Vorprozess von Anfang an Schadensersatz für die Klägerin geltend gemacht. Alle an diesen vermeintlich pflichtwidrig unterlassenen Hinweis gestützten Ausführungen im landgerichtlichen Urteil liegen neben der Sache.

2. Der Beklagte hat auch in Bezug auf die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger seine anwaltlichen Pflichten gegenüber der Klägerin nicht verletzt. Er hat die Klage im Vorprozess rechtzeitig erhoben, um die Verjährung zu hemmen. Dass das LG dies im Vorprozess verkannt hat, ist dem Beklagten nicht anzulasten und war von diesem nicht vorauszusehen. Die Annahme einer Verjährung bereits im November 2005 lag aus verschiedenen Gründen fern.

2.1. Der Schadensersatzanspruch der Erwerber verjährte binnen fünf Jahren nach der Abnahme (§ 638 BGB a.F., § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Eine Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 198 BGB kam insoweit nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 2012, 1137, 1138 [Tz. 12 f.] m.w.N.).

2.2. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Erwerber begann nicht mit der ersten Begehung durch den Sachverständigen SV1 im November 2000 oder mit der Übersendung seines zugehörigen Protokolls zu laufen.

2.2.1. Das Gutachten des Sachverständigen SV1 war schon seinem Inhalt nach nicht als Abnahmeerklärung auszulegen. Auf S. 2 f. des Abnahmegutachtens ist ausgeführt, dieses stelle "ein Begehungsprotokoll als Arbeitsabnahme" dar und enthalte keine Rechtsbewertung (Bl. 413 f. d.A.). Der Sachverständige hat sich demgemäß explizit zu der Rechtsfrage, ob die Leistungen des Bauträgers im Wesentlichen vertragsgerecht waren, nicht geäußert. Hinzu kommt, dass das Abnahmegutachten so viele, teilweise schon für sich gesehen, jedenfalls in der Gesamtschau erhebliche Mängel festhielt, dass es nicht als Billigung in diesem Sinne aufzufassen war. Auch die damalige Verwalterin Dr. A hat sich in der anschließenden Korrespondenz mit der Bauträgerin für diese in der Sache nicht günstiger geäußert. Ob die damalige Verwalterin und einzelne Erwerber in der Folgezeit zu Recht von einer durch SV1 erklärten Abnahme und hierbei rechtlich von einem zutreffenden Verständnis des Abnahmebegriffs ausgingen, ist ohne Belang.

2.2.2. Hinzu kam, dass das Abnahmeprotokoll des Sachverständigen SV1 auch aus Rechtsgründen die Verjährung nicht zuungunsten aller Erwerber in Gang setzen konnte. Der Bauträgervertrag mit den Erwerbern B wurde erst Ende Januar 2001 abgeschlossen, lange nach der Begehung vom November 2000; jedenfalls diese Erwerber ("Nachzügler") konnten an eine hypothetische...

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