Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Unzureichende Berufungsbegründung (hier: Nichteingehen auf Kausalität der Abschalteinrichtung für Kaufentschluss)
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 12.04.2021; Aktenzeichen 7 O 104/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 12.4.2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils vollstreckten Betrags leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Fahrzeugs, Schadensersatz wegen des Kaufs eines im Jahr 2013 erstzugelassenen BMW X3 xDrive 2,0d, den er im Jahr 2016 bei einem Autohändler gebraucht erworben hat, mit der Begründung, die Motorsteuerung bzw. Abgasreinigung sei manipuliert, um auf dem Prüfstand günstige Abgaswerte zu erreichen. Das Fahrzeug ist mit einem Motor N47T (Hubraum 1995 ccm, 135 KW) ausgerüstet und in Euronorm 5 eingestuft. Von einem Rückruf ist das Fahrzeug nicht betroffen. Für den erhobenen Anspruch beruft sich der Kläger in rechtlicher Hinsicht auf die Anspruchsgrundlagen gemäß § 826 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. Normen des Zulassungsrechts und in Verbindung mit § 263 StGB sowie § 831 BGB.
Der Kläger hat behauptet, dass es ihm beim Kauf des Fahrzeugs auf Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und den Wiederverkaufswert angekommen sei und dass er bei Kenntnis der Manipulation der Abgasrückführung das Fahrzeug nicht gekauft hätte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, dass die behauptete Täuschung für den Kaufentschluss des Klägers nicht ursächlich gewesen sei, weil beim Gebrauchtwagenkauf der Schwerpunkt der Kaufentscheidung nicht auf der besonderen Umweltfreundlichkeit des Motors liege, sondern auf anderen Parametern (Laufleistung, äußeres Erscheinungsbild, Korrosion, Unfallfreiheit, geringer Preis). Es liege daher nicht auf der Hand, dass ein Käufer, der von der Manipulation bei den Kaufverhandlungen erfahre, zu einer nicht manipulierten Fahrzeugserie dieses oder eines anderen Herstellers wechsle. Der wegen dieser Rechtsauffassung beantragte Schriftsatznachlass sei nicht zu gewähren, denn die Beklagte habe schon in der Klageerwiderung die von dem Kläger behauptete Motivation bestritten, ohne dass der Kläger hierauf nochmals eingegangen sei.
Gegen dieses dem Kläger am 22.4.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.5.2021 eingelegte Berufung des Klägers, die er mit Schriftsatz vom 22.6.2021 begründet hat. Hierin trägt der Kläger vor, dass das erstinstanzliche Gericht die Rechtsprechung des EuGH zur Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen und die Rechtsprechung des BGH zur Darlegungslast des Herstellers im Hinblick auf dessen Angaben zu Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren übersehe oder ignoriere und die Bedeutung der Leitlinien der Europäischen Kommission, wonach erhöhte Messwerte auf eine Abschalteinrichtung hindeuten können, für die Darlegungslast des Klägers verkenne. Im Einzelnen sei zu rügen, dass anhand der Kürze der Entscheidungsgründe (eine Seite) festzustellen sei, dass sich das Ausgangsgericht nicht hinreichend mit dem klägerischen Vortrag befasst habe. Es sei unverständlicherweise kein Schriftsatznachlass gewährt worden. Weder zu den Ausführungen zu den Messwerten noch zum Thermofenster habe das Gericht Stellung genommen; beides sei unverständlich. Es sei zu betonen, dass die Beklagte ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht habe, das die Stickoxidgrenzwerte nicht einhalte. Den diesbezüglichen Vortrag habe das Landgericht nicht gewürdigt.
Der Kläger verweist auf den Beschluss des BGH (VIII ZR 57/19) zu der Wertung eines Klagevortrags als "ins Blaue hinein" erfolgt; vor diesem Hintergrund könne die Entscheidung des Erstgerichts nicht nachvollzogen werden. Nach den Maßstäben des Bundesgerichtshofs könne der hier erfolgte Vortrag mit konkreten Messwerten zu der streitgegenständlichen Motorreihe und der Benennung der Abschaltfunktion nicht als Vortrag ins Blaue hinein abgetan werden. Auf einen bisher unterbliebenen Rückruf komme es danach nicht an. Der Kläger verweist auch auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, welches bei einem Euronorm5-Fahrzeug der Beklagten eine Haftung nach § 826 BGB wegen Verwendung einer temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung angenommen habe, und darauf, dass in anderen gegen die Beklagte gerichteten Verfahren Beweisbeschlüsse erlassen worden seien. Ferner bezieht sich der Kläger auf ein bereits vorliegendes gerichtliches Sachverständigengutachten, wonach eine Abschalteinrichtung bejaht und deren Notwendigkeit bezweifelt wird.
Das Urteil setze sich auch nicht mit dem Vortrag des Klägers zu e...