Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungstitel "Erstattungsfähigkeit einer 1,3 Verfahrensgebühr für eine nach Klagrücknahme eingereichte Klagerwiderung"
Leitsatz (amtlich)
Erlangen die Beklagten Kenntnis von der Klagrücknahme und informieren sie hierüber nicht zeitnah ihre Prozessbevollmächtigten, können sie nicht die Erstattung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Ziff. f33100 RVG-VV für die Einreichung einer Klagerwiderung nach Eingang der Klagrücknahme beanspruchen. Innerhalb von sechs Tagen nach Absendung der Klagrücknahme an die Beklagten kann eine Information ihrer Prozessbevollmächtigten erwartet werden. Es kann aber eine 0,8 Gebühr nach Ziff. f33101 RVG-VV erstattungsfähig sein.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG-VV Ziff. f33100; RVG-VV Ziff. 3101
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 11.02.2013; Aktenzeichen 316 O 456/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg vom 11.2.2013 teilweise geändert:
Die von der Klägerin an die Beklagten zu 2. und 3. zu erstattenden Kosten werden auf EUR 659,97 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 festgesetzt.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 70 % und die Beklagten 30 % zu tragen,
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt EUR 949,14.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagten zu 2. und 3. (nachfolgend: die Beklagten) mit Schriftsatz vom 11.10.2012 -in Änderung einer zunächst gegen einen Beklagten zu 1. gerichteten Klage - als Gesamtschuldner auf Unterlassung beleidigender Telefonanrufe in Anspruch genommen. Diese Klage hat sie mit Schriftsatz vom 29.10.2012 zurückgenommen. Der Schriftsatz ging per Telefax am gleichen Tage beim LG Hamburg ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch kein Prozessbevollmächtigter für die Beklagten zur Akte legitimiert. Das LG Hamburg hat mit Beschluss vom 30.10.2012 die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und die Absendung des Beschlusses sowie des Schriftsatzes vom 29.10.2012 an die Beklagten persönlich verfügt. Am 6.11.2012 ging ein auf den 1.11.2012 datierter Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim LG Hamburg ein, mit dem diese die Vertretung der Beklagten anzeigten, einen Klagabweisungsantrag ankündigten und Ausführungen zum Klaganspruch machten. Nachdem daraufhin das LG Hamburg auch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Kostenbeschluss vom 30.10.2012 übersandt hatten, beantragten diese die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebührnach Ziff. f33100 RVG-VV, einer 0,3 Erhöhungsgebühr nach Ziff. 1008 RVG-VV und einer Postpauschale nach Ziff. f37002 RVG-VV zzgl. 19 % Umsatzsteuer gegen die Klägerin. Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das LG diese Kosten- insgesamt EUR 949, 14 - zur Erstattung fest.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht die Klägerin geltend, dass sie nicht zur Kostenerstattung verpflichtet sei, weil der Klagerwiderungsschriftsatz erst am 6.11.2012, mithin nach Eingang der Klagrücknahme, bei Gericht eingegangen sei. Die Beklagten hätten keinen Anlass gehabt, sich noch einen Rechtsanwalt zu nehmen. Außerdem habe Frau Rechtsanwältin G. bereits am 26.10.2012 mit dem Beklagten zu 3. telefoniert und ihm mitgeteilt, dass die Belästigungen nicht mehr stattfänden und bereits aus diesem Grund überlegt werde, die Klage zurückzunehmen.
II. Die gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat im erkannten Umfang Erfolg.
Allerdings sind die zur Erstattung beantragten und vom LG festgesetzten Gebühren im Verhältnis zwischen den Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten in der geltend gemachten Höhe entstanden. Die Verfahrensgebühr nach Ziff. f33100 RVG-VV ist mit der Einreichung des Schriftsatzes vom 1.11.2012 beim LG Hamburg angefallen (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., VV 3100, Rz. 57 ff.). Auch die Erhöhungsgebühr ist gerechtfertigt, weil die Beklagten hier gemäß Klagantrag ausdrücklich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen worden sind (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 1008, Rz. 150).
Für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten kommt es jedoch weiter darauf an, ob sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wie das LG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, sind die Kosten eines Klagerwiderungsschriftsatzes, der nach Eingang der Klagrücknahme bei Gericht eingeht, dann erstattungsfähig, wenn der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz in entschuldbarer Unkenntnis der Klagrücknahme einreicht (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rz. 13, Stichwort "Klagerücknahmeâ EUR-). Allerdings liegt keine entschuldbare Unkenntnis vor, wenn die Partei von der Klagrücknahme Kenntnis erlangt und ihren Prozessbevollmächtigten nicht zeitnah darüber informiert (OLG Schleswig, Beschluss v. 27.7.90 zum Aktz. 9 W 137/90, Rz. 3, zit. nach juris). Denn aus dem Prozessrechtsverhältnis ergibt sich die Pflicht gegenüber der Ge...