Entscheidungsstichwort (Thema)
"Erstattungsfähigkeit einer 1,3 Verfahrensgebühr bei verzögerter Anspruchsbegründung nach vorangegangenem Mahnverfahren"
Leitsatz (amtlich)
Reicht der Kläger nach vorangegangenem Mahnverfahren trotz Aufforderung gem. § 697 Abs. 1 ZPO mehrere Monate keine Anspruchsbegründung ein und stellt der Beklagte einen Klagabweisungsantrag sowie einen Antrag auf Terminsanberaumung nach § 697 Abs. 3 ZPO, woraufhin die Klagrücknahme erfolgt, kann der Beklagte die Erstattung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Ziff. f33100 RVG-VV verlangen.
Normenkette
ZPO § 697; RVG-VV
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 05.06.2013; Aktenzeichen 318 O 206/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg vom 5.6.2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von EUR 813,72 zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin beantragte am 12.10.2012 bei dem AG Hünfeld einen Mahnbescheid gegen den Beklagten und für den Fall des Widerspruchs die Abgabe an LG Hamburg. Der Widerspruch des Beklagten ging am 19.10.2012 beim AG Hünfeld ein. Nach Abgabe an das LG Hamburg wurde die Klägerin aufgefordert, eine Anspruchsbegründung einzureichen. Diese Aufforderung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.11.2012 zugestellt. Eine Anspruchsbegründung ging in der Folgezeit nicht ein. Mit Schriftsatz am 20.3.2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Klagabweisung und beantragte zugleich, der Klägerin eine Frist zur Begründung der Klage zu setzen oder sie aufzufordern, die Klage zurückzunehmen. Mit Schriftsatz vom 25.3.2013 beantragte er, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Auf gerichtlichen Hinweis beantragte der Beklagte schließlich mit Schriftsatz vom 23.4.2013 die Anberaumung eines Verhandlungstermins gem. § 697 Abs. 3 ZPO. Nach Anberaumung des Termins nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.5.2013 die Klage zurück. Das LG Hamburg erlegte ihr die Kosten des Rechtsstreits auf.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.6.2013 hat die Rechtspflegerin antragsgemäß die Erstattung einer 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV nebst Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV und 19 % Umsatzsteuer festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit einer sofortigen Beschwerde. Sie meint, dass der Beklagte überhaupt keine 1,3 Verfahrensgebühr erstattet verlangen könne. Allenfalls käme eine 0,8 Gebühr gem. Nr. 3101 RVG-VV in Betracht.
II. Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos. Die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV erfolgte zu Recht.
Im Verhältnis zum Beklagten ist eine 1,3 Verfahrensgebühr zugunsten seines Prozessbevollmächtigten entstanden, denn er hat nach Abgabe des Rechtsstreits an das LG Hamburg im streitigen Verfahren einen Sachantrag - den Antrag auf Klagabweisung - gestellt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., VV 3101, Rz. 30). Darüber hinaus war auch der Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO eine Prozesshandlung, die eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV begründet hat (OLG Naumburg, Beschluss v. 29.12.2011 zum Aktz. 2 W 51/11, Rz. 9, zit. nach juris).
Allerdings ist eine durch den Klagabweisungsantrag entstandene 1,3 Verfahrensgebühr vor der Klagbegründung grundsätzlich nicht erstattungsfähig, weil diese kostenauslösende Maßnahme zu diesem Zeitpunkt nicht zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gehört (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3305-3308, Rz. 139). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Kläger die Klagebegründung in nicht zumutbarer Weise verzögert (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O.). So liegt es hier: Die Klägerin hat die Zwei-Wochen-Frist zur Anspruchsbegründung gem. § 697 Abs. 1 ZPO um mehrere Monate überschritten.
Spätestens aber die durch den Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO (erneut) begründete 1,3 Verfahrensgebühr ist erstattungsfähig, nachdem die Klägerin auch auf die Schriftsätze des Beklagten vom 20. und 25.3.2013 nicht reagiert hatte (vgl. auch OLG Naumburg a.a.O.: Erstattungsfähigkeit gegeben, wenn der Beklagte wegen Untätigkeit der Klägerin im Mahnverfahren selbst die Abgabe zur Durchführung des Streitverfahrens beantragt und einen Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO stellt; OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 195: Erstattungsfähigkeit gegeben, nachdem die Klägerin über ein Jahr im Mahnverfahren untätig geblieben war und die Beklagten die Abgabe an das Streitgericht beantragt hatten).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 6427857 |
NJW 2014, 8 |
Rpfleger 2014, 228 |
ZfS 2014, 167 |
AGS 2014, 153 |
NJW-Spezial 2014, 187 |
RVGreport 2014, 112 |
FMP 2014, 75 |
NJOZ 2014, 1076 |