Leitsatz (amtlich)

Dem beigeordneten Rechtsanwalt steht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung der Umsatzsteuer auch dann zu, wenn seine Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 24.04.2013; Aktenzeichen 313 O 49/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Hamburg vom 24.4.2013 geändert.

Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird die ihr gem. § 49 RVG aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung festgesetzt auf EUR 1.048,39.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Mit der Klage nahm der Kläger als Insolvenzverwalter den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nach § 64 GmbHG auf Zahlung in Anspruch. Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten, der Antragstellerin, bewilligt. Nach Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich beantragte die Antragstellerin gegenüber der Staatskasse, ihre Prozesskostenhilfevergütung auf EUR 881 zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. EUR 167,39 festzusetzen. Die Urkundsbeamtin des LG setzte mit Beschluss vom 18.5.2012 die Vergütung auf EUR 881 fest. Die beantragte Festsetzung der Umsatzsteuer lehnte sie ab mit der Begründung, dass der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt sei. Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin Erinnerung ein. Zur Begründung führte sie aus, nur der Prozessgegner einer vorsteuerabzugsberechtigten Partei dürfe nicht mit Umsatzsteuer belastet werden; dies gelte aber nicht für die Staatskasse. Das LG wies die Erinnerung mit Beschluss vom 24.4.2013 zurück und ließ die Beschwerde zu. Gegen diesen ihm am 26.4.2013 zugestellten Beschluss legte die Antragstellerin Beschwerde ein, die am 8.5.2013 bei Gericht einging. Das LG half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

II. Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Zwar ist der Beschwerdewert von über EUR 200 (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) nicht erreicht. Das LG hat aber im angefochtenen Beschluss die Beschwerde gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen. Die Beschwerde ist fristgerecht, nämlich innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG eingelegt worden.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht gegen die Staatskasse ein Anspruch auf Festsetzung der Umsatzsteuer i.H.v. EUR 167,39, die auf die ihr nach § 49 RVG zu zahlende Vergütung entfällt, zu.

Zur Begründung der Ablehnung der Festsetzung von Umsatzsteuer hat das LG in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt: Der beigeordnete Anwalt sei darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer seinem Mandanten gegenüber geltend zu machen. Im Festsetzungsverfahren nach §§ 45, 55 RVG bestehe dieselbe Interessenlage wie im Festsetzungsverfahren nach § 126 ZPO, für das der BGH (NJW-RR 2007, 285) entschieden habe, dass bei Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei der beigeordnete Rechtsanwalt seine Umsatzsteuer nicht vom Gegner verlangen könne, sondern sie von der eigenen Partei abzufordern habe.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wenn der beigeordnete Rechtsanwalt auf seine Vergütung Umsatzsteuer abzuführen hat, steht ihm gegenüber der Staatskasse stets ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer zu, unabhängig davon, ob seine Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht. Dies entspricht der - wenn auch unterschiedlich begründeten - allgemeinen Auffassung (vgl. Schneider/Wolf-Schnapp/Volpert, RVG, 6. Aufl., § 55 Rz. 18; Schneider/Wolf-N. Schneider, a.a.O., VV 7008, Teil 7, Rz. 68; Göttlich/Mümmler-Feller, RVG, 5. Aufl., S. 760; Bischof-Bräuer, RVG, 5. Aufl., Nr. 7008 VV/Teil 7, Rz. 32), die der Senat teilt. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält gem. § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung, der Höhe nach in den Grenzen des § 49 RVG. Zur gesetzlichen Vergütung i.S.v. § 45 Abs. 1 RVG zählt auch die Umsatzsteuer, soweit die Leistung des Rechtsanwalt umsatzsteuerbar ist (KG NJW 2009, 2734), was hier unzweifelhaft der Fall ist. Die Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei, der der Rechtsanwalt beigeordnet worden war, kann sich auf die Höhe der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung gegenüber der Staatskasse nicht auswirken. Vergütungsschuldner ist nämlich nicht die vom beigeordneten Rechtsanwalt vertretene Partei, sondern die Staatskasse (so zutreffend Schneider/Wolf-N. Schneider, a.a.O.; Bischof-Bräuer, a.a.O.). Damit findet die Bestimmung des § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO entgegen dem zu weit gefassten Wortlaut des § 55 Abs. 5 S. 1 RVG bei der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse keine Anwendung (LAG Rheinland-Pfalz JurBüro 1997, 29 f.; Schneider/Wolf-Schnapp/Volpert, a.a.O.; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl....

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