Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 302 O 292/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.03.2023, Az. 302 O 292/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf ... EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus drei selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaften in Anspruch, da dieser als Geschäftsführer der ... (Hauptschuldnerin) für dieser im Jahr ... gewährte Darlehen übernommen hatte. In einem vorangegangenen Prozess ist der Beklagte bereits wegen einer weiteren für die Hauptschuldnerin übernommenen Bürgschaft rechtskräftig zur Zahlung verurteilt worden (...).
Wegen des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S.1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Der Beklagte nimmt hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit des von ihm erklärten Widerrufs der Bürgschaften, seiner Auffassung, dass die Klägerin hinsichtlich der Forderungen nicht aktivlegitimiert sei, sowie in der Frage der Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverträge auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf sein erstinstanzliches schriftsätzliches Vorbringen Bezug.
Er ist der Auffassung, dass der Senat die Frage, ob die Bürgschaftsverträge widerrufbar seien, dem EuGH vorlegen müsse. Auch nach der Entscheidung des BGH vom 22.9.2020 sei offen, ob Bürgschaften nach der RL 2011/83/EU widerrufbar seien. Der Entscheidung des BGH komme im nationalen Recht keine Bindungswirkung zu, so dass das Hanseatische Oberlandesgericht, welches selbst von einer Widerruflichkeit von Verbraucher-Bürgschaften ausgegangen sei, nicht an der Vorlage an den EuGH gehindert sei. Durch das Vorabentscheidungsverfahren solle die Rechtseinheit in der Union durch einheitliche Auslegung des Unionsrechts gesichert und verhindert werden, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbilde, die mit den Normen des Unionsrechts nicht in Einklang stehe. Das Verfahren diene zudem auch der Sicherung des Rechtsschutzes des Einzelnen, der unionsrechtlich begründete Rechte in Anspruch nehme. Eine Nichtvorlageentscheidung unterliege der Verfassungsbeschwerde, wenn den Parteien dadurch der gesetzliche Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz entzogen werde.
Der Auffassung des BGH, dass sich in der Frage, ob eine Verbraucherbürgschaft widerrufbar sei, entscheidungserhebliche Fragen des Unionsrechts nicht stellten, könne nicht gefolgt werden. Da der EuGH gemäß Art. 19 EUV allein für die Auslegung des Unionsrechts zuständig sei, habe der BGH seine Vorlagepflicht in einer gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Weise verneint. Der Beklagte habe sich im Prozess ausdrücklich auf sein Widerrufsrecht nach § 355 BGB i.V.m. §§ 312 Abs. 1, 312b Abs. 1 und 312g Abs. 1 BGB berufen, und darauf, dass Bürgschaften von der Verbraucherrechte-Richtlinie (Art. 3 Abs. 1 S. 1 und Art. 2 Nr. 8 RL 2011/83/EU) erfasst seien. Diese Frage habe der BGH auch selbst problematisiert und das Unionsrecht insoweit ausgelegt und zu einer tragenden Begründung für seine Entscheidung gemacht. Die verbindliche und für die Parteien des Rechtsstreits maßgebliche Auslegung der Richtlinie 2011/83/EU stehe aber nur dem EuGH zu und gerade nicht den nationalen Gerichten. Der Zirkelschluss des Bankenrechtssenates in der Verneinung der Entscheidungserheblichkeit liege darin, dass er sein Ergebnis, das aber nach Primärrecht nur der EuGH verbindlich feststellen könnte, als Rechtfertigung dafür nehme, den EuGH erst gar nicht zu dieser Frage anzurufen. In Wahrheit fehle es nicht an der Entscheidungserheblichkeit der Frage nach der Anwendung und Auslegung des Unionsrechts auf den Bürgenwiderruf, vielmehr halte der BGH die Auslegung des Unionsrechts für so eindeutig, dass daran keine vernünftigen Zweifel bestünden. Die Voraussetzungen für ein Entfallen der Vorlagepflicht nach der Acte-clair-Doktrin seien jedoch eindeutig nicht gegeben; der EuGH habe noch keinen vergleichbaren Fall entschieden. Auch könne es keinen vernünftigen Zweifeln unterliegen, dass Bürgschaften von der Richtlinie 2011/83/EU erfasst werden. Der Bürge sei noch schutzwürdiger als derjenige, der an der Haustür etwas kaufe.
Wegen der Begründung zur Vorlagepflicht nimmt der Beklagte Bezug auf das in dem vorangegangenen Verfahren eingeholte Gutachten von Professor ......