Leitsatz (amtlich)
Die einer entsprechenden Werbung ("Jetzt gratis testen") folgende vollständige Rückerstattung des von Kunden für den Erwerb eines Medizinprodukts (hier: Inkontinenzhöschen) gezahlten Kaufpreises, die ein dem Kaufvorgang nachfolgendes schriftliches Verlangen des Kunden unter Vorlage des Kaufbelegs sowie der Angabe der Bankverbindung erfordert, ist nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HWG unzulässig, sondern unterfällt dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG (Gewährung von Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag).
Normenkette
HeilMWerbG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, b, § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 14, S. 2; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 24.07.2018; Aktenzeichen 406 HKO 86/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 24.07.2018 (Az. 406 HKO 86/18) abgeändert:
Die zum Az. 312 O 173/18 ergangene einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 22.05.2018 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragstellerin.
Das vorliegende Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Hygiene- und Inkontinenzprodukten, darunter auch Inkontinenzhöschen. Die Antragstellerin vertreibt u.a. das Produkt "a.d. pants", die Antragsgegnerin u.a. die "T.L. Pants Plus", welche zur Verwendung bei mittlerer Blasenschwäche geeignet sind. Streitig ist die Zulässigkeit einer Werbeaktion der Antragsgegnerin, welche am 01.04.2018 startete und ursprünglich bis zum 30.09.18 laufen sollte. Hierbei warb die Antragsgegnerin mit einer Kaufpreisrückerstattung für die T.L. Pants Plus in der aus den Anlagen AST 4-6 ersichtlichen Weise, insbesondere mit der Aussage "Jetzt gratis testen". Um an der Auktion teilzunehmen, musste der Kunde ein mit einem Aktionssticker gekennzeichnetes Produkt kaufen und sodann die Internetseite der Antragsgegnerin aufsuchen, um dort Fotos des Kassenbons und der Aktionspackung hochzuladen sowie Name, Anschrift und Bankverbindung anzugeben. In der Folge sollte der vollständige Kaufpreis für die T.L. Pants Plus binnen 14 Tagen zurückerstattet werden. Dieser lag zum damaligen Zeitpunkt bei EUR 8,45 (Fa. dm) bzw. EUR 8,49 (Fa. Rossmann).
Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen dieser Werbung mit Schreiben vom 27.04.2018 (Anlage AST 7) ab, wobei sie geltend machte, es liege ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor, da den Verbrauchern ein Medizinprodukt geschenkt werde, dessen Wert deutlich über der Wertgrenze liege; § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a HWG erlaube nicht die geschenkeweise Zuwendung des Produktes, welche aus Sicht der Verbraucher aber vorliegend erfolge.
Nachdem die Antragsgegnerin dem mit Schreiben vom 04.05.2018 (Anlage AST 8) entgegen trat, hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin beim Landgericht zum Az. 312 O 137/18 die einstweilige Verfügung vom 22.05.2018 erwirkt, mit welcher der Antragsgegnerin verboten wurde,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen das Medizinprodukt "T.L. Pants Plus" gegenüber Verbrauchern als Gratisabgabe anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren,
wenn dies geschieht wie in Anlage AST 4 und/oder AST 5 und/oder AST 6.
Die Antragsgegnerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt und die Abgabe des Verfahrens an die Kammer für Handelssachen beantragt. Zur Begründung ihres Widerspruchs hat sie vorgetragen:
Einschlägig sei der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a HWG, welcher nicht nur die Gewährung von Rabatten, sondern auch Kaufpreisrückzahlungen erfasse. Der Verbraucher sehe die Ware auch nicht als Geschenk an, weil er das Produkt eben nicht einfach so mitnehmen könne, sondern aufwändig die Rückerstattung beantragen müsse; dementsprechend betrage die Teilnahmequote bislang auch nur ca. 4,5%. Soweit die Antragstellerin meine, die rechtliche Zulässigkeit der Abnahme eines Medizinproduktemusters sei nicht nur an § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 HWG zu messen, sondern auch an der Geringwertigkeitsgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG, führe dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und damit grundgesetzwidrigen Diskriminierung der Anbieter von geringpreisigen Medizinprodukten.
Das Landgericht, Kammer 6 für Handelssachen, hat die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 24.07.2018 (Az. 406 HKO 86/18) bestätigt. Hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen Streitstandes sowie der dort gestellten Anträge wird auf die landgerichtliche Entscheidung verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, welche fristgemäß eingelegt und begründet worden ist. Die Antragsgegnerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen in der Berufungsinstanz und macht insbesondere geltend:
Die Teilnahmequote der streitgegenständlichen Werbeaktion, welche nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vorzeitig im ...