Leitsatz (amtlich)

Das Prämiensystem eines Autovermieters, mit dem den Angestellten von Reisebüros für jede Buchung eines Mietwagens Punkte gutgeschrieben werden, die in Sachprämien und Bargeld eingetauscht werden können, verstößt gegen § 1 UWG.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.11.2002; Aktenzeichen 416 O 175/02 Haak)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg – Kammer 16 für Handelssachen – vom 29.11.2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Autovermietung.

Die Antragsgegnerin führte im Juni 2002 unter der Internet-Adresse „www.sixperts.de” ein Prämiensystem für die Mitarbeiter von Reisebüros ein. Danach erhalten die Mitarbeiter für jede Buchung eines Mietwagens der Antragsgegnerin entspr. dem anwendbaren Tarif zwischen 10 und 40 Punkte im Wert von – 0,1 Euro pro Punkt, also i.E. eine Gutschrift im Wert zwischen 1 Euro und 4 Euro. Die Punkte können in Sachprämien, Wochenendnutzungen von Mietfahrzeugen oder in Bargeld eingetauscht werden. Bei längerer Ansammlung von Punkten sind z.B. Prämien wie eine Fotokamera (2550 Punkte), ein Fahrrad (3550 Punkte) oder ein Wochenende mit einem Mercedes-Sportcoupe erreichbar (1200 Punkte). Die Berechtigung zur Teilnahme an dem Punktsystem wird durch die Eingabe einer online erhältlichen Identifikationsnummer erlangt, die auf nahezu allen in der Praxis eingesetzten Reisebüro-Software-Systemen vorgesehen ist. Die Antragstellerin erwirkte mit Antrag vom 23.10.2002 eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg, mit der der Antragsgegnerin die Auslobung von Punkten und die Gewährung von Prämien an Reisebüromitarbeiter in der oben geschilderten Weise verboten worden ist. Nach Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG diese einstweilige Verfügung mit Urteil vom 29.11.2002 bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

II. Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das LG die einstweilige Verfügung in dem angefochtenen Urteil bestätigt.

Es besteht ein Verfügungsgrund (Ziff. 1) und ein Verfügungsanspruch jedenfalls aus § 1 UWG (Ziff. 2).

1. Zwischen der Einführung des Prämiensystems „sixperts” und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung lagen ca. 4 1/2 Monate, so dass ein Verfügungsgrund wohl verneint werden müsste, wenn die Antragstellerin bereits im Juni 2002 – und nicht erst im Oktober 2002, wie sie vorträgt – hiervon Kenntnis erlangt hätte. Für die Antragstellerin streitet die Vorschrift des § 25 UWG, wonach die Dringlichkeit für die Verfolgung von Ansprüchen aus diesem Gesetz vermutet wird.

Diese Vermutung kann zwar von dem Antragsgegner des Verfügungsverfahrens erschüttert werden, doch muss er dazu Tatsachen vortragen, aus denen sich eine frühere positive Kenntnis des Antragstellers ergibt, und zwar positive Kenntnis der für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Mitarbeiter (OLG Köln WRP 1999, 222). Wenigstens muss der Antragsgegner Umstände vortragen, dass dem Antragsteller nach Lage der Dinge (z.B. Unternehmensgröße und -bedeutung des Verletzers, Dauer des Wettbewerbsverstoßes, Fachkenntnis des Antragstellers) der Wettbewerbsverstoß nicht verborgen geblieben sein kann (OLG Hamburg WRP 1999, 683 [684]; OLG Oldenburg v. 21.12.1995 – 1 U 125/95, WRP 1996, 461 [464]), womit sodann die Glaubhaftmachungslast für den Zeitpunkt der ersten Kenntnisnahme wieder bei dem Verletzten läge. Eine fahrlässige Unkenntnis reicht jedoch nicht, da es keine Marktbeobachtungspflicht gibt (OLG Hamburg WRP 1999, 683 [684]; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 25 Rz. 15 m.w.N.). Erst wenn dem Antragsgegner die Erschütterung der Dringlichkeitsvermutung gelungen ist, muss die Dringlichkeit vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.

a) Die Antragsgegnerin hat schon nicht genügend Tatsachen zur Erschütterung der Dringlichkeitsvermutung vorgetragen.

Die Presseerklärung vom 6.6.2002 (Anlage Ag 6) richtet sich nicht an die Wettbewerber. Die Antragsgegnerin trägt auch nicht vor, in welcher Weise diese Erklärung bekannt gemacht worden ist und dass sie notwendigerweise von der Antragstellerin hätte zur Kenntnis genommen werden müssen. Bei dem Artikel der Fachzeitschrift „touristikaktuell” ( Anlage Ag 7) lässt sich schon nicht erkennen, wann das Heft 43/02 erschienen ist.

Die „Sign-In-Message” (Anlage Ag 8) ist nur 5 Tage lang vom 10.–14.6.2002 beim Start des sog. Amadeus-Programms, eines zentralen Reservierungssystems, erschienen, das auch bei der Antragstellerin genutzt werden soll. Ob die für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Mitarbeiter der Antragstellerin täglich mit diesem Programm arbeiten, ist nicht näher dargelegt und wenig wahrscheinlich. Der kurzen Ankündigung ist i.Ü. auch nur zu entnehmen, dass durch Buchungen Punkte zu erwerben sind, was für sich genommen noch nicht wettbewerbswidrig ist.

Die Zeitungsanzeige, mit der...

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