Leitsatz (amtlich)

Eine werbliche Angabe für ein Arzneimittel, die ein Zitat aus der von der Zulassungsbehörde gebilligten Fachinformation des Arzneimittels gem. § 11a AMG wiedergibt (hier: eine Äquivalenzbehauptung), ist als dem Stand der Wissenschaft entsprechend anzusehen und daher nicht irreführend, wenn es dem Verfügungskläger nicht gelingt glaubhaft zu machen, dass im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigte neue wissenschaftliche Erkenntnisse gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. BGH GRUR 2013, 649 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

Ist die in der Werbung zitierte Fachinformation durch eine neue Fassung ersetzt worden, so besteht für eine Werbung unter Bezugnahme auf die veraltete Fachinformation keine Wiederholungsgefahr, wenn mit dieser nur während ihrer zeitlichen Gültigkeit geworben worden ist. In dieser Konstellation fehlt es auch an einer Erstbegehungsgefahr, weil nicht anzunehmen ist, der Werbende werde, nachdem die verwendete Version der Fachinformation ihre Gültigkeit verloren hat, mit ihr weiterhin werben.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, §§ 5, 8; HWG § 3; AMG §§ 8, 11a, 22

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 25.04.2012; Aktenzeichen 416 HKO 31/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 25.4.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 31/12, abgeändert. Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin verlangt von den Antragsgegnern auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage Unterlassung einer Angabe über das Arzneimittel "X.® 50 LD50-Einheiten" in einer Werbekarte (Anlage AS 1), die das aus dem Antrag ersichtliche Zitat aus der Fachinformation (Stand Dezember 2011) wiedergibt.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel "B.®" (Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A, Fachinformation Anlage AS 2). Sie hat die Fa. P.-A. GmbH beauftragt, ihre Interessen im Zusammenhang mit diesem Arzneimittel in Deutschland wahrzunehmen. B.® ist u.a. zugelassen für die Behandlung von Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss), zervikale Dystonie (Torticollis spasmodicus, "Schiefhals") und fokaler Spastizität des Handgelenks und der Hand bei erwachsenen Schlaganfallpatienten.

Die Antragsgegnerin zu 1. ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel "X.®100 LD50-Einheiten" (Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A, Fachinformation Anlage AS 3, nachfolgend bezeichnet als X.® 100). Die Antragsgegnerin zu 1. hat im Wege des sog. dezentralen Verfahrens durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ferner die Zulassung für das Arzneimittel "X.® 50" erhalten (Fachinformation Anlage AS 4). Die Antragsgegnerin zu 2. hat bis Juni 2004 "B.®" in Deutschland für die Antragstellerin vertrieben; seit Juli 2005 vertreibt sie "X.® 100". "X.® 50" wird in Deutschland seit dem 15.1.2012 vertrieben. X.® ist zugelassen für die "symptomatische Behandlung von Blepharospasmus, zervikaler Dystonie mit überwiegend rotatorischer Komponente (Torticollis spasmodicus) sowie Spastik der oberen Extremitäten nach Schlaganfall mit Handgelenkbeugung und gefausteter Hand bei Erwachsenen".

In der Fachinformation für "X.® 50" (Stand Dezember 2011) heißt es u.a. (Ziff. 4.2):

"Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ-A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden."

In der Fachinformation mit dem Stand April 2012 heißt es nunmehr u.a.:

[Ziff. 4.2]

"Für detaillierte Informationen zu klinischen Studien mit X. im Vergleich zum herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A-Komplex (900 kD) s. Abschnitt 5.1."

[Ziff. 5.1]

"Ergebnisse klinischer Studien

Nichtunterlegenheit der Wirksamkeit von X. zum Vergleichsprodukt, welches den herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A Komplex Onabotulinumtoxin A (900 kD) enthält, wurde in zwei Phase III Vergleichsstudien nach Einmalgabe gezeigt, eine davon in Patienten mit Blepharospasmus (Studie MRZ 60201-0003; 300 Patienten), die andere in Patienten mit zervikaler Dystonie (Studie MRZ 60201-0013; 463 Patienten). Die Studienergebnisse weisen auch darauf hin, dass X. und dieses Vergleichspräparat ein ähnliches Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit Blepharospasmus oder zervikaler Dystonie haben, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 angewendet werden."

Die Antragstellerin hat geltend gemacht: Die werbliche Angabe über die vermeintliche Äquipotenz seien irreführend und verstießen daher gegen §§ 3, 5 UWG sowie gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 8 AMG. Die angegriffene Angaben beinhalte auch unter Berücksichtigung der Formulierung "Studien weisen darauf hin" die Behauptung, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Arzneimittel "X.® 50" und "B.®" bei gleicher Dosierung auch die gleiche Wirkung entfalteten. Diese Behauptung sei nicht belegt, denn es existierten keine klinischen Stud...

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