Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 412 HKO 62/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.06.2020 (Az. 412 HKO 62/19) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das örtlich zuständige Landgericht Stuttgart - Kammer für Handelssachen - verwiesen wird.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil des Landgerichts Stuttgart vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.183,83 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO und § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen. Der Senat hat mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet und den Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 03.09.2021 festgesetzt.

II. Auf die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung und den Hilfsantrag der Klägerin ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das örtlich zuständige Landgericht Stuttgart als Gericht erster Instanz zu verweisen.

1. Das Landgericht Hamburg hat seine örtliche Zuständigkeit zu Recht verneint.

a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Rechtskraft des vorangegangenen Feststellungsurteils vom 01.04.2019 in dem Verfahren 409 HKO 68/17 zwischen den Parteien nicht dazu führt, dass im vorliegenden Prozess die Zulässigkeit der Klage, insbesondere die örtliche Zuständigkeit, bindend festgestellt ist. Zwar wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass sich die Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils auch auf die Bejahung der Zulässigkeit erstrecke (Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl. § 322 Rn. 134). Der BGH hat die Frage einer Bindungswirkung in dem dort entschiedenen Fall, bei dem es um die Feststellungen zur Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ging, offen gelassen, weil eine derartige Bindung jedenfalls nicht gegenüber Dritten bestehe (NJW 2014, 3655 Rn. 18). Nach Auffassung des Senats ist eine Bindungswirkung hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage abzulehnen. Denn die Zulässigkeit ist lediglich als eine Vorfrage der Sachentscheidung anzusehen, die nicht in Rechtskraft erwächst (Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, 4. Aufl., § 322 Rn. 157; im Ergebnis ebenso: Musielak/Voit/Musielak, 18. Aufl. 2021, ZPO § 322 Rn. 45, und MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2020, § 322 Rn. 175). Die Beklagte war somit durch das vorangegangene rechtskräftige Versäumnisurteil nicht daran gehindert, die örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Verfahren zu rügen.

b) Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergibt sich auch nicht aus einer rügelosen Einlassung der Beklagten gemäß Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (nachfolgend: EuGVVO). Denn maßgeblich ist das erste Verteidigungsvorbringen, was eine inhaltliche Auseinandersetzung erfordert, so dass die bloße Verteidigungsanzeige nicht genügt (KG Berlin, Beschluss vom 21.03.2019 - 22 U 209/16 -, Rn. 3, juris; MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2017, Brüssel Ia-VO, Art. 26 Rn. 7). Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass sich aus der Rechtsprechung des BGH nichts anderes ergibt, wobei insoweit auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen wird. Der Antrag auf Fristverlängerung vom 13.02.2020 stellt ebenfalls keine Einlassung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 EuGVVO dar.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg auch nicht aus einer Gerichtsstandsvereinbarung hergeleitet werden.

aa) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag unterliegt der CMR, da es sich um die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen handelt und der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, die Vertragsstaaten sind. Nach Art. 31 CMR kann der Kläger wegen aller Streitigkeiten aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung, außer durch Vereinbarung der Parteien bestimmte Gerichte von Vertragsstaaten, die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet a) der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptniederlassung oder die Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, oder b) der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt.

Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass Art. 31 CMR nach allgemeiner Ansicht der Vorrang gegenüber den Regelungen der EuGVVO zukommt (vgl. Koller, TransportR, 10. Aufl. 2020, Art. 31 CMR, Rn. 1 m.w.N.). Ungeachtet der Frage, welche Formanforderungen an die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 31 CMR zu stellen sind (vgl. Koller, a.a.O., Rn. 5), bedeutet der allgemeine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge