Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Widerspruchsrecht wegen widersprüchlichen Verhaltens bei Sicherungsabtretung bereits vor Versicherungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Hat ein VN sämtliche Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag bereits vor diesem Vertragsschluss an einen Kreditgeber abgetreten, so besteht kein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. Der Sachverhalt ist ebenso zu beurteilen wie eine Abtretung unmittelbar nach Abschluss des Versicherungsvertrags. Es liegt ein enger zeitlicher Zusammenhang vor im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des BGH.
Normenkette
VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 242/19) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach einem vom Kläger erklärten Widerspruch gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe des Klägers in der Berufungsbegründung vom 08.10.2020 (Bl. 56 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II) greifen nicht durch.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien nebst gezogener Nutzungen nicht zu. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund. Der Wirksamkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages steht der vom Kläger erklärte Widerspruch nicht entgegen. Denn die Ausübung des Widerspruchs gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. war als widersprüchliches Verhalten gemäß § 242 BGB unzulässig.
1. Im Einzelfall kann die Ausübung des Widerrufsrechts und die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles selbst dann gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein. Das gilt entgegen dem Vorbringen in der Berufungsbegründung auch dann, wenn keine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte (BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15, juris; vgl. für § 5a VVG a.F. auch BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16).
Allgemein gültige Maßstäbe dazu, wann die Grundsätze von Treu und Glauben der Ausübung eines Widerspruchs entgegenstehen, können nicht aufgestellt werden. Ihre Anwendung im Einzelfall obliegt dem Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15, r+s 2016, 339, juris Rn. 16).
Voraussetzung ist das Vorliegen besonders gravierender Umstände, die dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 161/15, juris Rn. 12). Nicht erforderlich sind unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Durch das Verhalten des Versicherungsnehmers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065, juris Rn. 37).
2. Auch im vorliegenden Fall wertet der Senat die Umstände bei der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15, r+s 2016, 339, juris Rn. 16) als so gravierend, dass sich das Verhalten des Klägers als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens darstellt.
a) Es kann dahinstehen, ob sich solche schon aus den Beitragsreduzierungen während der Vertragslaufzeit ergeben oder ob diese Reduzierungen zumindest bei der Frage, ob das Umstandsmoment erfüllt ist, zu berücksichtigen sind.
b) Denn unabhängig von diesen Beitragsreduzierungen liegen besonders gravierende Umstände, welche die Ausübung des Widerspruchsrechts unzulässig machen, in der Abtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel.
Unstreitig trat der Kläger sämtliche Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein ihm durch die D gewährtes Immobiliendarlehen an diese ab. Ebenfalls unstreitig wurde diese Abtretung der Beklagten auch angezeigt.
Die Abtretung setzte, um ihren Sicherungszweck erfüllen zu können und damit die Gewährung des Darlehens nicht zu gefährden, zwingend die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16).
Zwar kann, worauf die Berufung zu Recht hinweist, nicht automatisch vom Vorliegen gravierender Umstände ausgegangen werden, wenn die Ansprüche aus dem Lebens...