Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Verhältnis von einstweiliger Anordnung und Hauptsacheverfahren in Familiensachen

 

Leitsatz (amtlich)

Verfahrenskostenhilfe kann einem Antragsteller im Hauptsacheverfahren nach §§ 1, 2 GewSchG nicht schon deshalb verweigert werden, weil er gleichzeitig ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet hat. Dies ist nicht mutwillig i.S.d. §§ 76 FamFG, 114 ZPO.

 

Normenkette

GewSchG §§ 2-3; FamFG §§ 76, 214; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Beschluss vom 22.10.2009; Aktenzeichen 56 F 228/09)

 

Tenor

1. Die Sache wird vom Einzelrichter auf den Senat übertragen.

2. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19.11.2009 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bochum vom 22.10.2009 abgeändert.

Der Antragstellerin wird für die Anträge zu Ziffer. I. bis IV. aus dem Schriftsatz vom 21.10.2009 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind seit dem 19.9.2008 miteinander verheiratet und Eltern des am 23.4.2004 geborenen Kindes D. Derzeit erwartet die Antragstellerin von dem Antragsgegner ein weiteres Kind.

Bereits in der Vergangenheit kam es wiederholt vor, dass der Antragsgegner ggü. der Antragstellerin gewalttätig wurde. Am 18.9.2009 kam es zwischen den Parteien zu einer erneuten Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Antragsgegner im alkoholisierten Zustand die Antragstellerin mit beiden Händen am Hals würgte, mit der Faust auf ihre Arme, Beine und ihren Rücken einschlug und die Antragstellerin schließlich im Schlafzimmer der gemeinsamen Ehewohnung einschloss. Der Antragsgegner wurde deswegen von der herbeigerufenen Polizei für die Dauer von zehn Tagen der Wohnung verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2009 beantragte die Antragstellerin beim AG - Familiengericht - Bochum, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner aufzugeben, die gemeinsame Wohnung zu räumen und ihr für die Dauer von 3 Monaten zur alleinigen Nutzung zu überlassen sowie es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln für die Dauer von 3 Monate zu unterlassen, die gemeinsame Wohnung zu betreten und sich in einem Umkreis von 500 m von der Wohnung aufzuhalten.

Mit weiterem Schriftsatz vom gleichen Tage stellte die Antragstellerin gleichlautende Anträge zum Hauptsacheverfahren, jedoch ohne die Befristung auf 3 Monate, und beantragte hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 22.10.2009 hat das AG in dem einstweiligen Anordnungsverfahren 87 F 229/09 die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin für das Hauptsacheverfahren 56 F 228/09 hat es dagegen mit Beschluss vom 22.10.2009 mit der Begründung zurückgewiesen, dass neben der erlassenen einstweiligen Anordnung für die gleichzeitige Beantragung eines Hauptsacheverfahrens kein Raum sei, da die einstweilige Anordnung auch eine dauerhafte Entscheidung sein könne, wenn der Antragsgegner nicht das Hauptsacheverfahren einleite. Dass die Antragstellerin im Gegensatz zum einstweiligen Anordnungsverfahren im Hauptsacheverfahren eine unbefristete Zuweisung beantragt habe, rechtfertige keine anderweitige Beurteilung. Eine Partei, die die Verfahrenskosten selbst tragen müsste, würde nur einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19.11.2009. Das Familiengericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

1. Das AG hat den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin vom 23.9.2009 zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Partei, die die Verfahrenskosten allein tragen müsste, sich auf die Beantragung einer einstweiligen Anordnung beschränkt hätte.

Mit seiner für die Verfahrenskostenhilfeverweigerung angeführten Begründung wirft das AG der Antragstellerin in der Sache vor, dass die von ihr mit dem Hauptsacheverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung neben dem einstweiligen Anordnungsverfahren i.S.d. § 76 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO mutwillig sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die vom Prozesskostenhilfebedürftigen beabsichtigte Rechtsverfolgung dann i.S.d. § 114 S. 1 ZPO mutwillig ist, wenn er den mit ihr angestrebten Erfolg in gleichem Umfang auch auf andere, kostengünstigere Weise erreichen kann oder hätte erreichen können (Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rz. 34 m.w.N.).

Insoweit kann vorliegend dahinstehen, ob sich nach der seit dem 1.9.2009 geltenden Neuregelung des einstweiligen Anordnungsverfahrens für den Antragsteller in bestimmten Fällen mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine gleichermaßen weitreichende Regelung erreichen lässt wie in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren. Für die hier in Rede stehende einstweilige Anordnu...

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