Leitsatz (amtlich)

Pedelecs, bei denen der Motor ausschließlich unterstützend arbeitet und bei denen die maximale Höchstgeschwindigkeit auf 25 km/h begrenzt ist, sind verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen.

Wer an einem auf dem Seitenstreifen fahrenden Verkehrsteilnehmer vorbeifährt, überholt nicht im Sinne des § 5 StVO.

Ein außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 StVO begonnener Überholvorgang wird nicht zu einem Überholen im Sinne des § 5 StVO, wenn der langsamere Verkehrsteilnehmer seine Fahrspur wechselt.

Wechselt ein älterer Verkehrsteilnehmer aus plötzlicher Sorglosigkeit, die nichts mit seinem Alter und einer dadurch bedingten Unfähigkeit, auf Verkehrssituationen zu reagieren, zu tun hat, ohne Beachtung des nachfolgenden Verkehrs vom Radweg auf die Fahrspur, verstößt ein PKW-Fahrer bei einer Kollision nicht gegen § 3 Abs. 2a StVO.

 

Normenkette

StVO § 3 Abs. 2a, § 5

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 11 O 79/16)

 

Tenor

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gegen das am 24.11.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az. 11 O 79/16) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-4 ZPO.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses gegeben.

I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Unfalls, an dem er am 27.9.2015 gegen 13:38 h auf der L ... in T als Pedelec-Fahrer beteiligt war, geltend.

Zusammen mit seiner Ehefrau, der Zeugin O, sowie den beiden Zeugen C war der damals 80-jährige Kläger zunächst von der I Straße nach rechts auf den Mehrzweckstreifen der L ... in Fahrtrichtung F abgebogen. In dem Bereich gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Die Radfahrergruppe beabsichtigte, in der Nähe des Hauses I2 ... von der L ... nach links in das sog. W abzubiegen. Zu diesem Zweck fuhr der Kläger auf die Hauptfahrbahn, um diese in Richtung Linksabbiegerstreifen zu überqueren. Die einzelnen Umstände sind zwischen den Parteien streitig. Es kam zur Kollision mit dem sich von hinten nähernden vom Beklagten zu 2) gehaltenen und gesteuerten Fahrzeug Typ Opel D, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist.

Der Kläger wurde zu Boden geworfen; sein Pedelec wurde beschädigt. Der PKW wurde auf der rechten Seite beschädigt.

Der Kläger hat behauptet, er sei von dem Mehrzweckstreifen aus nach links über die Straße in Richtung Linksabbiegerspur gefahren. Als er sich bereits auf der linken Seite der Fahrbahn befunden habe, habe der Beklagte zu 2) trotz unklarer Verkehrslage versucht zu überholen. Dabei habe er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen. Vorher sei der Zeuge C als erster der Gruppe bereits über die Fahrbahn auf die Linksabbiegerspur gefahren. Der Beklagte zu 2) hätte daher damit rechnen müssen, dass weitere Radfahrer aus der Gruppe folgen würden. Zudem habe der Beklagte zu 2) die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Angesichts des Alters des Klägers wäre besondere Rücksichtnahme erforderlich gewesen.

Durch den Unfall sei er nicht unerheblich verletzt worden, so dass ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000,- EUR angemessen sei. Darüber hinaus seien ihm weitere materielle Schäden (Haushaltsführungsschaden, Reparaturkosten Pedelec etc.) in Höhe von insgesamt 4.877,40 EUR zu erstatten.

Der Kläger hat nach Klageerweiterung zuletzt beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.877,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.12.2015 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 27.9.2015 in T entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, dass der Beklagte zu 2), als er die Radfahrergruppe auf dem Mehrzweckstreifen gesehen habe, seine Geschwindigkeit auf 80 km/h reduziert habe und links auf dem Fahrstreifen gefahren sei, um ausreichend Abstand zu halten.

Der Kläger sei plötzlich, ohne Handzeichen und ohne auf den rückwärtigen Verkehr zu achten, von der Mehrzweckspur nach links rübergefahren. Ein Ausweichen sei dem Beklagten zu 2) nicht mehr möglich gewesen.

Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G und F2 C, O und T3 sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. T2.

Anschließend hat es mit angefochtenem Urteil, auf da...

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