Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verschulden i.S.v. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ist nicht anzunehmen, wenn die Partei noch innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zwei-Wochen-Frist konkrete Bedenken hinsichtlich der Unparteilichkeit des vom Gericht beauftragten Sachverständigen anmeldet und sich hiernach - stets innerhalb der vom Gericht diesbezüglich gesetzten Schriftsatzfristen - eine Korrespondenz über die Frage entwickelt, ob das Gericht den Sachverständigen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der von der Partei vorgebrachten Bedenken von seinem Auftrag zu entbinden hat.

2. Ist die Leiterin einer Fachabteilung eines beklagten Klinikums erste mehrere Jahre - im vorliegenden Fall: über sechs Jahre - nach der streitgegenständlichen ärztlichen Behandlung in ihre Funktion gelangt und damit selbst im laufenden Rechtsstreit in keiner Weise dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers ausgesetzt, so vermag auch eine persönliche oder enge fachliche Beziehung zu dem Sachverständigen grundsätzlich keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit zu begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zu begutachtende Behandlung - wie hier - in einer anderen Fachabteilung des Klinikums stattgefunden hat.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 24.06.2011; Aktenzeichen 111 O 1134/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 18.7.2011 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG M. vom 24.6.2011 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 60.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht im vorliegenden Rechtsstreit Schadensersatzansprüche wegen eines von ihm vorgetragenen ärztlichen Behandlungsfehlers geltend. Im November 2003 unterzog sich der Kläger in der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Beklagten zu 1.) einer Operation der Nasennebenhöhlen. Im Verlauf der Operation, die u.a. durch den Beklagten zu 2.) durchgeführt worden ist, kam es zu einer Verletzung der Arteria carotis interna rechts. Der Kläger erblindete hiernach auf dem rechten Auge und führt dies - neben zahlreichen weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen - auf einen Operationsfehler des Beklagten zu 2.) zurück.

Das LG hat hinsichtlich der streitgegenständlichen Fragen nach einem Aufklärungs- und Behandlungsfehler umfangreich Beweis durch Einholung verschiedener Sachverständigengutachten erhoben.

Zuletzt hat das LG mit Beweisbeschluss vom 27.12.2010 die Einholung eines ophthalmologischen Gutachtens zu der Frage angeordnet, ob die Erblindung des Klägers durch eine fehlerhafte Behandlung im beklagten Klinikum ab dem 26.11.2003 verursacht worden sei. Nachdem die ursprünglich beauftragte Sachverständige mitgeteilt hatte, das Gutachten in absehbarer Zeit nicht erstellen zu können, hat das LG mit Beschluss vom 23.2.2011 an ihrer Stelle den abgelehnten Sachverständigen, Herrn Priv.-Doz. Dr. C, mit der Erstattung des Gutachtens betraut. Der Sachverständige ist Abteilungsleiter der Augenklinik der Klinikum E gGmbH. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem neu bestellten Sachverständigen binnen zwei Wochen. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger zum einen die Entpflichtung der ursprünglich beauftragten Sachverständigen beanstandet und zum anderen hinsichtlich der Person des neu bestellten Sachverständigen gerügt, das Klinikum E sei - was unstreitig ist - akademisches Lehrkrankenhaus der Universität N2. Dort unterhalte das beklagte Klinikum seine medizinische Fakultät.

Hieraufhin hat das LG dem Kläger mit Schreiben vom 22.3.2011 mitgeteilt, allein die Tätigkeit des Sachverständigen in einem akademischen Lehrkrankenhaus der Universität N2 schließe seine Beauftragung nicht aus. Das LG hat sich eine neue Bewertung ausdrücklich für den Fall vorbehalten, dass zwischen dem Sachverständigen sowie Ärzten des beklagten Klinikums persönliche oder berufliche Kontakte bestünden.

Hiernach hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.4.2011 um Entpflichtung des Sachverständigen gebeten und im Einzelnen vorgetragen, der Sachverständige habe in den Jahren von 1996 bis 2001 gemeinsam mit der heutigen - im Jahr 2010 berufenen - Direktorin der Augenklinik des beklagten Klinikums in dem Zentrum für Augenheilkunde der Universität C2 gearbeitet. Während der damaligen mehrjährigen Zusammenarbeit seien gemeinsame Forschungsschwerpunkte verfolgt und zudem verschiedene - mindestens zwei - wissenschaftliche Veröffentlichungen in medizinischen Fachzeitschriften vorgenommen worden. Der Arbeitskontakt dauere auch heute noch an, was nicht zuletzt durch eine gemeinsame Dozententätigkeit im Rahmen eines Fachkongresses (107. D. - Kongress in L.) belegt werde. Für den Fall einer fortdauernden Beauftragung des Sachverständigen hat der Kläger um entsprechenden Hinweis gebeten, um einen Befangenheitsantrag in Erwägung ziehen zu können.

Auf dieses Vorbringen hat das LG mit Schreiben vom 13.4.2011 reagiert und den Parteien mitgeteilt, es sei fraglich, ob eine mögliche Bekanntschaft des Sachverständigen mit der heutigen Direktor...

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