Leitsatz (amtlich)

Zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung im Umlegungsverfahren.

 

Normenkette

BauGB §§ 77, 224

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 65 O (Baul.) 14/02)

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Antragsgegners vom 10.4.2002 zum Umlegungsgebiet Nr. 355 in K.P./Z., Ordnungsnr. 2 und 1, wird angeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner nach einem Gegenstandswert von 9.015,05 Euro (10 % des Einwurfwertes des betroffenen Grundstücks).

 

Gründe

Die analog §§ 567, 793 ZPO statthafte (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 224 Rz. 2) sofortige Beschwerde ist fristgerecht erhoben und in der Sache begründet.

Nach § 224 BauGB hat zwar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung – den die Antragsteller unter dem 27.6.2002 gestellt haben – 65 O 16/02 LG Köln – keine aufschiebende Wirkung. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, wonach das Gericht die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung anordnen kann, findet aber gem. § 224 S. 2 BauGB im vorliegenden Fall entsprechende Anwendung.

Der gesetzgeberische Zweck des § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO erfordert die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO soll Regelungen erschweren, die praktisch die Hauptsachentscheidung vorwegnehmen, die aber nicht oder nur schwer rückgängig gemacht werden können, wenn die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens anders ausfällt (Kopp/Schenke, 12. Aufl., § 80 VwGO Rz. 156). Sie sind nur dann zulässig, wenn entweder das Rechtsmittel der Hauptsache offensichtlich unbegründet wäre oder dringende Interessen den sofortigen Bau der Erschließungs- oder Gemeinschaftsanlage unabweislich erforderlich machen (vgl. OLG Hamm 16 W 8/95).

Weder das eine noch das andere lässt sich sagen.

Zwar kann die Umlegungsstelle nach In-Kraft-Treten des Bebauungsplans vor Aufstellung des Umlegungsplans die Gemeinde in den Besitz von Grundstücken einweisen, die in dem Bebauungsplan als Flächen i.S.d. § 55 Abs. 5 BauGB festgesetzt sind. Im Bebauungsplan ist der von der Besitzeinweisung betroffene Teil der Flurstücke 595 und 597 der Antragsteller als Gemeinbedarfsfläche gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 5 BauGB für ein Feuerwehrgerätehaus ausgewiesen. Der Antrag der Antragsteller, den Bebauungsplan im Wege der Normenkontrolle für nichtig zu erklären, ist durch Entscheidung des OVG Münster vom 6.6.1997 – 7a D 7/94.NE – rechtskräftig zurückgewiesen worden.

Voraussetzung der vorzeitigen Besitzeinweisung ist es jedoch, dass sie das Wohl der Allgemeinheit erfordert, nicht nur wünschenswert sein lässt. Es muss sich um Gründe handeln, die über das allgemein öffentliche Interesse an der baldigen Herstellung der Anlage zur Verwirklichung des Bebauungsplans hinausgehen (Ernst/Otte in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 77 BauGB Rz. 6). Die angeführte Überlegung, aus Gründen der Kostenersparnis das Feuerwehrgerätehaus auf dem Grundstück der Antragsteller zeitgleich mit einem anderen Feuerwehrhaus zu errichten, kann eine vorzeitige Besitzeinweisung nicht begründen.

Insbesondere aber erfordert es eine derart einschneidende Maßnahme wie eine vorzeitige Besitzeinweisung vor der Umlegung, dass die bezeichneten Gründe des allgemeinen Wohls in sachlichem Zusammenhang mit der Umlegung und der von ihr erstrebten Neugestaltung von Grund und Boden stehen (vgl. § 77 Abs. 2 Ziff. 1 BauGB; Ernst/Otte in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 77 Rz. 6). Diese enge Verbindung mit der Umlegung bestätigt die Begründung zum Reg.Ent. für § 77 BauGB (BT-Drucks. 8/2451, 28 Sp. 2). § 77 BauGB solle dem besonderen Interesse von Bedarfs- und Erschließungsträgern an der vorzeitigen Besitzeinweisung Rechnung tragen, wenn bei bevorstehenden Maßnahmen zur Verwirklichung eines Bebauungsplans der Abschluss des u.U. langwierigen Umlegungsverfahrens für die Erstellung von Erschließungs- und Versorgungsanlagen nicht abgewartet werden könne. Das gelte insb. mit Rücksicht darauf, dass die Grundstückseigentümer im Umlegungsgebiet von vornherein ein besonders dringendes Interesse am schnellen Abschluss der Umlegung und damit zugleich an der vorzeitigen Errichtung der Erschließungs- und Versorgungsanlagen hätten. Denn sie wollten nach Abschluss der Umlegung ohne Aufschub bauen. Lange Umlegungsverfahren würden nämlich zu erheblichen Einschränkungen für die Grundstückseigentümer führen. Diese könnten in Grenzen gehalten werden, wenn die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Bebauung von den Bedarfs- und Erschließungsträgern rechtzeitig erstellt würden.

Die Neuerrichtung eines Feuerwehrgerätehauses, das bereits bestehende, wenn auch räumlich beengte, Einrichtungen in Z. ersetzt, stellt eine solche der Umlegung und den Interessen der am Umlegungsverfahren beteiligten Grundstückseigentümer an einer möglichst zügigen Bebauung dienende Gemeinbedarfsanlage nicht dar. Sie hat nicht den er...

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