Leitsatz (amtlich)

Die durch Absperrschranken und Verkehrszeichen begründete Beschränkung des Verkehrs in einem Baustellenbereich führt dazu, dass der Schutz der dort zu beachtenden Verkehrssicherungspflichten auf die Personen beschränkt ist, die sich berechtigerweise in dem Baustellenbereich aufhalten. Unbefugten Besuchern gegenüber wird der Verkehrssicherungspflicht im Regelfall bereits durch das Betretungs- bzw. Durchfahrtsverbot genügt.

Nur wenn der Verantwortliche wusste oder zumindest damit rechnen musste, dass sich auch unbefugte Verkehrsteilnehmer in dem Baustellenbereich aufhalten, können ausnahmsweise Verkehrssicherungspflichten auch gegenüber diesen Personen bestehen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 27.05.2013; Aktenzeichen 02 O 308/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 27.5.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 02. Zivilkammer des LG Münster (02 O 308/12) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 17.076,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Unfall, der sich am 16.10.2011 zwischen 19.00 und 20.00 Uhr in einer Baustelle auf dem Kappenberger Damm in Münster ereignete. Der Kläger fuhr mit seinem Rennrad - von der X-Straße kommend - nach rechts auf den Kappenberger Damm stadtauswärts. Dieser war - sowohl auf der Fahrbahn als auch auf dem Radweg - durch Absperrschranken für den Verkehr gesperrt. Ausgenommen waren die Anlieger des von dem Kappenberger Damm abzweigenden W-Weg, für die die Durchfahrt freigegeben war.

Der Kläger behauptet, was von der Beklagten bestritten wird, er sei in eine aus seiner Fahrtrichtung hinter der Abzweigung zum W2 befindliche Baugrube mit einer Tiefe von einem Meter gestürzt.

Hinsichtlich der Einzelheiten bis zum Abschluss der ersten Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (Bl. 140 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es dahinstehen könne, ob die Beklagte die ihr bei der Sicherung der Baustelle obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Jedenfalls beruhe der Unfall auf einem überwiegenden Verschulden des Klägers. Bei der gem. § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sei es gerechtfertigt, die durch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung geschaffene abstrakte Gefahrenlage als Verursachungsanteil zurücktreten zu lassen, weil sich die Gefahrenlage erst aufgrund einer erheblichen Unaufmerksamkeit des Klägers realisiert habe.

Grundsätzlich müsse der Benutzer die Verkehrsfläche so hinnehmen, wie sie sich ihm darbiete und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen. Der Pflichtige müsse aber in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Gefahren ausräumen, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar seien und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einstellen könne. Die Verkehrsteilnehmer seien lediglich vor den Gefahren zu schützen, die für sie auch bei der in Baustellenbereichen gebotenen erhöhten Aufmerksamkeit nicht erkennbar seien und auf die sie sich nicht einstellen könnten. Auch ohne Zusatzschilder müssten Fahrzeugführer im Baustellenbereich mit tiefen Schlaglöchern rechnen, Radfahrer müssten auf Sicht fahren. Danach liege - den Vortrag des Klägers als zugestanden unterstellt - ein haftungsausschließendes Mitverschulden des Klägers vor. Er habe sich im Bereich der Baustelle befunden und habe die Baustelle auch als solche wahrgenommen. Selbst wenn er die "Einfahrt verboten"-Schilder an der Kreuzung nicht gesehen haben sollte, sei für ihn durch die aufgestellten breiten Warnbaken erkennbar gewesen, dass die Straße gerade nicht für den allgemeinen Verkehr freigegeben gewesen sei. Wenn der Kläger dennoch in diese Straße einfahre, müsse er sein Verkehrsverhalten und insbesondere seine Geschwindigkeit dem anpassen und sei zur erhöhten Aufmerksamkeit verpflichtet. Er dürfe nur so schnell fahren, dass er innerhalb des zu übersehenden Weges gefahrlos anhalten könne. Dies habe der Kläger nicht getan, sonst wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Dies gelte insbesondere bei eintretender Dunkelheit. Der Kläger selbst habe im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angeführt, in dem vorliegenden Halbdunkel habe alles gleich ausgesehen. Er habe deshalb grob fahrlässig gehandelt, weil er im Bereich einer Baustelle und im Halbdunkel die Straße befahren habe, ohne deren genauen Verlauf und Beschaffenheit erkennen zu können. Diese Gefährlichkeit sei dem Kläger bewusst gewesen. So habe er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, das Befahren des Baustellenbereichs sei ihm schon suspekt gewesen. Diesem Gefühl habe er seine Geschwindigkeit aber nicht ange...

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