Leitsatz (amtlich)

1. Das Ausschwenken des Anhängerhecks in die benachbarte Geradeausspur zur Durchführung eines Rechtsabbiegemanövers stellt einen Verstoß gegen die sich aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO auch dann dar, wenn sich der Abbiegevorgang kaum anders durchführen lässt.

2. Lässt sich nicht feststellen, auf welcher Höhe sich das in der Geradeausspur fahrende Fahrzeug bei Beginn des Anfahrvorgangs des LKW befand, ist eine Haftungsverteilung von 70% zu 30% zu Lasten des LKW Gespanns gerechtfertigt.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 17; StVO § 9 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 8 O 101/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.01.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 3.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2016, weiteren Zinsen in vorgenannter Höhe aus 8.696,71 EUR für die Zeit vom 13.02.2016 bis zum 12.07.2016 sowie über die bereits vorprozessual regulierten Rechtsanwaltskosten hinaus weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 126,10 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 91 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 9 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. 1. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 92 ff. GA) Bezug genommen. Zu Örtlichkeit, Unfallsituation, Endstellungen und Fahrzeugschäden wird verwiesen auf die polizeilichen Lichtbilder (Bl. 9 ff. der beigezogenen Bußgeldakten 01K/800483000-VU des Kreises Recklinghausen), die zu den amtsgerichtlichen Beiakten (11 C 456/15 AG Gladbeck) eingereichten Lichtbilder (Bl. 5 ff. dieser BeiA) sowie auf die im beigezogenen amtsgerichtlichen Verfahren (Bl. 10 ff. der amtsgerichtlichen BeiA) und im vorliegenden Verfahren (dort im Anlagenband) eingereichten Schadensgutachten nebst Schadensbildern.

Das Landgericht, dem die bereits genannten Akten 11 C 456/15 des Amtsgerichts Gladbeck vorgelegen haben (vgl. Bl. 79 GA), hat den Kläger und den Beklagten zu 3) persönlich angehört (vgl. Bl. 78 ff. GA) und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen F (vgl. Bl. 80 f. GA). Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil dem Kläger lediglich 2,40 EUR nebst Zinsen i.H. von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2016 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei i.H. von 2,40 EUR nebst Zinsen gem. §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 BGB i.V.m. § 115 VVG begründet und im Übrigen unbegründet.

Dem Grunde nach ergebe sich aufgrund der gem. § 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG vorzunehmenden Abwägung eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu einer Quote von 30 %. Dabei sei auf Seiten der Beklagten lediglich die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zu berücksichtigen, da ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 3) nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme nicht bewiesen sei. Demgegenüber sei auf Seiten des Klägers von einem unfallursächlichen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO auszugehen.

Auf Basis der danach zugrunde zu legenden Haftungsquote der Beklagten von 30% stünden dem Kläger hinsichtlich des Fahrzeugschadens einschließlich der im Zusammenhang mit der Überführung nach Frankreich angefallenen Kosten und der Sachverständigenkosten keine über die insoweit bereits geleisteten Zahlungen der Beklagten zu 2) hinausgehenden Ersatzansprüche mehr zu. Lediglich hinsichtlich der i.H. von 7,50 EUR (= 30 % von 25,- EUR) zu ersetzenden, jedoch nur i.H. von 5,10 EUR regulierten Unkostenpauschale könne der Kläger von den Beklagten noch weitere 2,40 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Zustellung des Mahnbescheides am 13.02.2016 - ein früherer Zinsbeginn sei nicht feststellbar - verlangen. Einen ersatzfähigen Umsatzausfall aufgrund des lediglich mit 5 Arbeitstagen anzusetzenden unfallbedingten Fahrzeugausfalls habe der Kläger schon nicht hinreichend dargetan. Auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten stehe dem Kläger kein über die insoweit bereits geleisteten Zahlungen hinausgehender Ersatzanspruch zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

2. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagebegehren - hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten auf einen Zahlungsantrag umgestellt - weiter verfolgt, soweit es in erster Instanz ohne Erfolg ge...

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