Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 16.09.2009; Aktenzeichen 41 O 46/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. September 2009 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- EUR abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Sorge für die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Mitglieder des Klägers sind gerichtsbekannt auch Heilpraktiker, Hersteller von Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Hersteller und Vertreiber von Naturheilmitteln und pharmazeutischen Produkten sowie sonstige Lebensmittelbetriebe.
Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. Sie warb im Internet auf ihrer Homepage für das von ihr vertriebene Mittel "Q" unter anderem mit der Aussage, das Mittel unterstütze ein harmonisches Wohlgefühl der Nasen- und Atemwege. Wegen der Einzelheiten des Internetangebots wird auf den Hilfsantrag (Bl.3 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. April 2009 wegen dieser Werbeaussage erfolglos ab. Er beantragte am 29. April 2009 unter Vorlage eines Internetausdrucks mit Datum vom 31. März 2009 den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Antrag wurde damit begründet, dass die Werbung krankheitsbezogene Aussagen enthalte. Sie werde von dem Adressaten dahin verstanden, dass das Mittel Q bei Pollenallergien helfe. Die Werbung sei zudem irreführend, weil das Mittel die Symptome einer Pollenallergie nicht mindern könne.
Das Landgericht hat im Verfahren 41 O 32 / 09 am 4. Mai 2009 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Beklagten bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
im geschäftlichen Verkehr das Mittel "Q" mit der Aussage zu bewerben:
"Für das Wohlgefühl der Nasen- und Atemwege
(...) Probieren Sie Q, wenn Sie Ihr harmonisches Wohlgefühl der Nasen- und Atemwege unterstützen wollen. Insbesondere in den Monaten Februar bis August können wir Ihnen Q mit seiner ausgefeilten natürlichen Kombination an Natursubstraten empfehlen",
sofern dies geschieht wie in der Anlage A2 wiedergegeben.
Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht, das einen Verfügungsgrund verneint hat, die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.
Der Senat hat dagegen im Urteil vom 26. November 2009 (4 U 151 / 09) einen Verfügungsgrund bejaht und die einstweilige Verfügung bestätigt.
Das Mittel "Q" enthält neben verschiedenen anderen Bestandteilen auch die Zutat "Paradiesnusspulver mit Selen". Bei der Paradiesnuss oder der Sapucajanuss handelt es sich um die ölreichen Samen der Früchte eines Tropfbaumgewächses der Gattung Lecythis. Sie ähnelt der Paranuss. Ihr Vorkommen ist allerdings auf kleinere Gebiete beschränkt. Die Bäume werden nicht angebaut, sondern die Früchte wild gesammelt. Paradiesnüsse nehmen das Element Selen aktiv und gezielt auf, soweit sie auf selenhaltigen Böden wachsen. Sie stellen damit eine natürliche Selenquelle dar.
Im vorliegenden Hauptverfahren hat sich der Kläger zusätzlich darauf berufen, dass das in der beanstandeten Weise beworbene Mittel "Q" nicht verkehrsfähig sei, weil es sich bei dem Paradiesnusspulver um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung handele, für das unstreitig keine entsprechende Genehmigung der Europäischen Union vorliege. Sowohl die Paradiesnuss als auch das aus ihr isolierte Selen seien bisher nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden. In der aktuellen Literatur, insbesondere in den entsprechenden Lexika von Ternes und Römpp seien weder "Paradiesnuss" noch "Lecythis" unter den Lebensmitteln zu finden. Auch im Lexikon der Ernährung finde sich kein entsprechender Eintrag. Der Novel-Food-Katalog der Europäischen Gemeinschaft enthalte zu dem Stichwort "Lecythis" gleichfalls nichts. Die Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämter T2, L, G2 und T hätten in ihrem Jahresbericht 2007 ausdrücklich festgehalten, dass ein Nachweis für eine maßgebliche Verbreitung der Paradiesnuss in der Europäischen Gemeinschaft bislang nicht erbracht worden sei (vgl. Anlage K 11).
Der Kläger hat die Beklagte nunmehr in erster Linie darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
das Mittel "Q" zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern für das Mittel keine Zulassung oder Notifizierung nach der Novel-Food-Verordnung (Verordnung EG/258/97) besteht.
Hilfsweise hat er weiterhin die Unterlassung der beanstandeten konkreten Bewerbung begehrt und sich weiterhin auf die dadurch bewirkte Irreführung der angesprochenen Verbraucher berufen. Er hat zusätzlich die Erstattu...