Leitsatz (amtlich)
Aufgrund des Anpflanzens und Aufziehens von Straßenbäumen vor dem Grundstück des Geschädigten ist eine Kommune weder nach öffentlich-rechtlichen noch nach privatrechtlichen Maßstäben als Störer anzusehen, wenn ein Schaden durch von den Bäumen abbrechende Äste infolge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses eintritt (Sturm mit der Windstärke 8 Beaufort).
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 366/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.07.2022 verkündete Urteil der
5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
1. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG oder aus
§ 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.
a) Dabei kann dahinstehen, ob das Rechtsverhältnis zwischen einer Kommune, welche die Sicherheit auf den öffentlichen Verkehrsflächen u.a. in Bezug auf die darauf stehenden Straßenbäume zu gewährleisten hat, und einem Grundstücksnachbarn dem öffentlichen Recht unterfällt oder privatrechtlich zu beurteilen ist. Denn in dem vorliegenden Fall lässt sich eine schuldhafte Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten, die den Schaden am Haus des Klägers verursacht haben könnte, nicht feststellen, was eine Haftung der Beklagten aus beiden insofern in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ausschließt.
b) Die Beklagte hat keine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Die Pflegemaßnahmen der Beklagten waren nicht aus dem Grunde unzureichend, dass bei den vorangegangenen Baumschauen an den Bäumen vor dem Haus des Klägers Schadens- oder Krankheitssymptome übersehen wurden oder ein erforderlicher Baumschnitt versäumt wurde. Weiterhin ist nicht feststellbar, dass die Schäden am Haus durch kranke oder sonst schadhafte Äste verursacht wurden.
Insofern nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen und Feststellungen des Landgerichts, deren Richtigkeit durch die ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme des Senats bestätigt worden ist. Bereits die Befragung des Klägers durch den Senat hat ergeben, dass die Beschädigungen am Haus des Klägers, deren Ersatz er mit der vorliegenden Klage verlangt, an zwei unterschiedlichen Stellen des Dachs sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite des Hauses entstanden sind, was nahelegt, dass hierfür nicht nur ein Ast, sondern zwei unterschiedliche Äste verantwortlich waren. Diese Äste vermochte der Kläger nicht zu beschreiben und zu identifizieren, wobei er nicht einmal ausschließen konnte, dass sie von der vor dem Nachbarhaus stehenden Platane abgebrochen waren.
Aber auch im Übrigen fehlt es an jedem Anhaltspunkt für eine unzureichende Baumschau und Baumpflege seitens der Beklagten. Auch die Folgen des Sturms am 31.08.2019 lassen keinen Rückschluss hierauf zu. Der Sachverständige hat bei sei- ner Anhörung durch den Senat nochmals bekräftigt, dass im Sommer, wenn die Äste belaubt sind, ein Sturm der Stärke von 8 Beaufort zu einem Abbrechen von Ästen führen kann, wie es am Schadenstag vor dem Haus des Klägers geschehen ist, auch wenn die betreffenden Bäume gesund und ausreichend gepflegt waren. Er hat weiter bekräftigt, dass er bei seiner Besichtigung zwar von Pflegemaßnahmen herrührende Schnittstellen, jedoch keine Krankheitssymptome oder sonstige Auffälligkeiten bei den in Betracht kommenden Bäumen feststellen konnte. Auch das Erscheinungsbild der gesamten Allee in der A Straße war trotz des vereinzelten Fehlens bzw. Ersatzes einzelner Bäume unauffällig und nicht schadensträchtig und gebot nicht den
Rückschnitt der vor dem Haus des Klägers bzw. dem Nachbarhaus stehenden Platanen.
Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, die in jeder Hinsicht schlüssig und gut nachvollziehbar waren. Soweit er sich vor Ort ein Bild vom Zustand der Bäume durch Besichtigung vom Boden aus verschaffte, begegnet dies keinen Bedenken, sondern deckt sich mit dem Vorgehen und der Ein- schätzung anderer Sachverständiger aus anderen Verfahren vor dem Senat, wonach eine Beurteilung des Baumzustands durch eine Sichtprüfung vom Boden aus dem üblichen Standard entspricht.
2. Dem Kläger steht des Weiteren auch kein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs oder der Aufopferung bzw. - wenn man von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwi- schen den Parteien ausgehen würde - aufgrund eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu.
a) Ein Ausgleichsanspruch aus enteignendem Eingriff oder Aufopferung kommt in Betracht, wen...