Leitsatz (amtlich)

1. Kommt es bei der Erteilung von therapeutischem Reitunterricht zu einem durch Tiergefahr verursachten Unfall, kann sich der Reitlehrer als Tierhalter nach § 833 S. 2 BGB nur dann entlasten, wenn er solchen Unterricht berufsmäßig erteilt; dazu reicht eine nur gelegentliche Tätigkeit - neben einem sonst ausgeübten Hauptberuf - nicht hin.

2. Auch einem Reitverein, der satzungsgemäß therapeutisches Reiten anbietet, ist die Entlastung nach § 833 S. 2 BGB verschlossen, wenn die Haltung von Pferden nicht der Erzielung von wirtschaftlichem Gewinn dient; das ist bei einem Idealverein regelmäßig nicht der Fall.

3. Allein die Teilnahme eines körperlich beeinträchtigten Menschen am therapeutischen Reiten begründet nicht schon den Vorwurf des Mitverschuldens.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 26.01.2009; Aktenzeichen 12 O 264/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.12.2010; Aktenzeichen VI ZR 312/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1) - das am 26.1.2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Dortmund Urteil abgeändert und so neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 20.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 31.3.2005 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner 1.342,12 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.8.2007 an die S GmbH, U-Straße, *#*#*X zu Schaden-Nr. *#*#*zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Für den Beklagten zu 2) wird die Revision zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt zur Hauptsache Schmerzensgeld und Feststellung umfassender Ersatzpflicht beider Beklagter für eine Lendenwirbelfraktur, die sie sich am 31.3.2005 bei einem Sturz von dem Pferd "S2", dessen Halter der Beklagte zu 2) ist, zuzog. Dazu kam es, während der Beklagte zu 1) ihr und ihrer Tochter T in der Halle eine Reitstunde erteilte, in deren Verlauf ihr T auf dem Pferd "Q", dessen Halter der Beklagte zu 1) ist, in der Halle vorausritt. Die genaue Entwicklung des Reitunfalls ist zwischen den Parteien streitig. Während die Klägerin behauptet hat, Q sei unerwartet stehen geblieben und habe gegen den auflaufenden S2 mit der Hinterhand ausgekeilt, worauf dieser durchgegangen sei, haben die Beklagten behauptet, die Klägerin habe durch hysterische Zurufe an ihre Tochter ihr Pferd S2 zum Galopp veranlasst. Erst als sie mit S2 im Galopp Q in zu geringem Abstand überholt habe, habe diese "den Schweif gedreht", aber nicht ausgeschlagen. Rechtlich haben die Parteien um die Entlastungsmöglichkeit der Beklagten aus § 833 S. 2 BGB, namentlich um die Eigenschaft der beteiligten Pferde als Nutztiere im Sinne dieser Vorschrift gestritten.

Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen festgestellt, ein Ausschlagen von Q, in dem sich die typische Tiergefahr verwirklicht habe, habe S2 mit der Folge des Abwurfs der Klägerin durchgehen lassen. Es hat der Klage gegen den Beklagten zu 1) aus § 833 BGB stattgegeben, die gegen Beklagten zu 2) hat es abgewiesen. Es hat dem Beklagten zu 1) die Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 833 S. 2 BGB mit der Begründung versagt, der Reitunterricht, für den er Q einsetze, sei seinem Umfang nach keine Erwerbstätigkeit, sondern Hobby. Unabhängig davon könne der Beklagte zu 1) sich auch nicht entlasten, vielmehr habe er die Tiergefahr erhöht, indem er die Tochter der Klägerin mit Q habe ohne die in vorhergegangenen Reitstunden als Führungsmittel verwendeten Sporen oder Gerte und zudem der Klägerin voraus reiten lassen. Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden entgegenhalten lassen, weil ihr weder die Teilnahme am gemeinsamen Reitunterricht mit Q, von deren Abwurf einer Reiterin sie nur in einem einzigen und deshalb nicht alarmierenden Fall gehört gehabt habe, noch ihr Verhalten unmittelbar vor dem Durchgehen von S2 vorzuwerfen seien. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung habe sie nämlich nur einmal gerufen, als Q bereits stehen geblieben sei; an der dann erfolgten Annäherung von S2 an Q sei sie wegen des abrupten Stehenbleibens von Q schuldlos.

Dem Beklagten zu 2) stehe dagegen der Entlastungsbeweis des § 833 S. 2 BGB offen, weil der generelle Einsatz von S2 für den Vereinszweck - Angebot von therapeutischem Reiten - eine berufsmäßige Verwendung darstelle. Der Vortrag des Beklagten zu 2), mit der Auswahl des für den Reitunterricht geeignete...

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