Leitsatz (amtlich)
Die landesrechtliche Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. 2021, S. 1147) greift nicht ein, wenn der in der Hauptsache verfolgte Anspruch nicht aus einer Veröffentlichung hergeleitet wird, sondern darauf gerichtet ist, Maßnahmen des Betreibers eines sozialen Netzwerks abzuwehren, die dieser mit eigenen Äußerungen des Anspruchstellers begründet.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Betreiber eines sozialen Netzwerks aufgegeben werden soll, den gesperrten Zugang zu einem Account wieder zu eröffnen, erfordert die Glaubhaftmachung auf den konkreten Fall bezogener Dringlichkeitsgründe, die über die allgemeine Bedeutung sozialer Netzwerke für die Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation hinausgehen.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 17 O 7/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 25.02.2022 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin unterhielt in dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen sozialen Netzwerk "A" unter dem Pseudonym "Pseudo01" einen Account. Über diesen veröffentlichte sie am 00.00.2021 den folgenden Beitrag:
"@Pseudo02 Ich bin 2x geimpft. Sollen die doch ihren Beatmungsschlauch kriegen. Bitte ohne Betäubung."
Daraufhin sperrte die Verfügungsbeklagte den Account und teilte der Verfügungsklägerin per E-Mail mit, die Sperrung sei wegen "eines Verstoßes" gegen die A-Regeln erfolgt. "Insbesondere" liege ein Verstoß gegen die Regeln zu missbräuchlichem Verhalten und Belästigungen vor. Sie dürfe sich nicht an der zielgerichteten Belästigung von Nutzern beteiligen oder andere dazu ermutigen. Jemand anderem körperlichen Schaden zu wünschen oder Hoffnungen in dieser Richtung zu äußern, zählten zu einem solchen Verhalten dazu. Darauf folgte die Wiedergabe des oben zitierten Beitrags der Verfügungsklägerin vom 00.00.2021.
Bereits zuvor hatte die Verfügungsklägerin über den in Rede stehenden Account u. a. folgende Beträge veröffentlicht: "@Pseudo03 Nazischlampen bleiben Nazischlampen." (im Folgenden: Tweet 1) sowie "@Pseudo04." (im Folgenden: Tweet 2).
Bei der Einrichtung des Accounts hatte die Verfügungsklägerin die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten akzeptiert.
Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen: Die Verfügungsbeklagte habe den Sinn ihres Beitrags vom 00.00.2021 nicht verstanden. Dieser sei im Zusammenhang mit einer Diskussion um Covid-Impfungen gepostet worden. Sie habe damit nicht anderen Nutzern körperlichen Schaden gewünscht. Selbst wenn der Beitrag gegen Verhaltensregeln der Verfügungsbeklagten verstoße, rechtfertige dieser keine dauerhafte Kontosperrung. Die Voraussetzungen einer Kündigung des Nutzungsverhältnisses aus wichtigem Grund lägen nicht vor.
Soweit sich die Verfügungsbeklagte zur Begründung der Sperrung des Nutzerkontos in ihrer Antragserwiderung auf weitere, von ihr früher veröffentlichte Beiträge (Tweet 1 und Tweet 2) beziehe, habe die Verfügungsbeklagte die Entscheidung, das Nutzerkonto am 00.00.2021 endgültig zu sperren, hierauf nicht gestützt. Die zuerst genannte Äußerung (Tweet 1) sei nie Gegenstand von Sperrmaßnahmen gewesen. Der zweite Beitrag (Tweet 2), der wohl aus dem Jahr 2018 stamme, habe nach ihrer Erinnerung zu einer Account-Sperrung für 24 Stunden geführt. Ein zeitlicher Zusammenhang der Beiträge, für die die Verfügungsbeklagte weder das Veröffentlichungsdatum mittteile noch zum Kontext vortrage, mit der hier streitigen Kontosperrung bestehe jedenfalls nicht.
Der Dienst A sei ein wesentliches Medium der Information und Kommunikation, das sie, die Verfügungsklägerin, täglich nutze. Vor diesem Hintergrund sei ihr das Zuwarten auf eine Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt:
im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagte es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen habe, ihren Account (@Pseudo01) auf A.com wegen der nachfolgenden Äußerung zu sperren: "@Pseudo02 Ich bin 2x geimpft. Sollen die doch ihren Beatmungsschlauch kriegen. Bitte ohne Betäubung.".
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, entgegen der Darstellung der Verfügungsklägerin sei deren Account keinesfalls ausschließlich wegen des in der Antragsschrift wiedergegebenen Beitrags gesperrt worden. Vielmehr beruhe die Sperrung "auch (wesentlich)" auf den beiden weiteren in der Vergangenheit veröffentlichten Beiträgen - Tweet 1 und Tweet 2 -, mit welchen die Verfügungsklägerin sowohl gegen die A-Regeln als auch gegen deutsches Strafrecht (insbesondere § 185 StGB) verstoßen habe. Die Verfügungsbeklagte hat mit näheren A...