Leitsatz (amtlich)
Die Besorgnis der Befangenheit ist gegen einen Richter, der im Berufungsrechtszug mit einem Rechtsstreit befasst ist, nicht schon deshalb begründet, weil er vor seiner Versetzung an das Berufungsgericht am Gericht des ersten Rechtszuges mit dem Rechtsstreit befasst war, ohne an der Entscheidung mitgewirkt zu haben.
Normenkette
ZPO § 42
Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 7 O 296/05) |
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen VROLG S. wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Im ersten Rechtszug fand vor dem LG Mannheim am 14.7.2006 eine mündliche Verhandlung vor der Zivilkammer 7 unter dem Vorsitz von Richter S., damals Vorsitzender Richter am LG, statt. In diesem Termin wurde im Rahmen der Güteverhandlung ein Vergleich mit Widerrufsvorbehalt geschlossen. Anschließend wurden die Anträge gestellt, die Sach- und Rechtslage erörtert und für den Fall des Widerrufs Verkündungstermin bestimmt. Der Vergleich wurde widerrufen. Mit Verfügung vom 7.9.2006 wurde wegen Ausscheidens eines Beisitzers die mündliche Verhandlung wiedereröffnet, der Verkündungstermin aufgehoben und angefragt, ob die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden seien. Die Verfügung wurde vom Vorsitzenden unterzeichnet. Das Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren wurde zunächst nicht erklärt. Anfang Oktober 2006 schied der Vorsitzende aus der Zivilkammer 7 aus, wurde zum Vorsitzenden Richter am OLG ernannt und übernahm den Vorsitz des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe. Der neue Vorsitzende der Zivilkammer 7 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung. Nachdem im März 2007 doch Einvernehmen über das schriftliche Verfahren hergestellt werden konnte, entschied die Zivilkammer 7 mit Urteil vom 13.4.2007 im schriftlichen Verfahren nach dem Sach- und Streitstand vom 23.3.2007. Für die von der Klägerin eingelegte Berufung ist der 6. Zivilsenat des OLG Karlsruhe zuständig. Sie hat mit Schriftsatz vom 18.7.2007 den Vorsitzenden Richter am OLG S. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie meint, auch wenn kein Fall der gesetzlichen Ausschließung nach § 41 Nr. 6 ZPO vorliege, ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit aus einer prozessrechtlich atypischen Vorbefassung. Die Beklagte hält das Ablehnungsgesuch für unbegründet.
Die dienstliche Äußerung von VROLG S. wurde den Parteien zur Kenntnis gegeben.
II. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, insbesondere rechtzeitig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Zu Recht geht die Klägerin davon aus, dass ein Fall der §§ 41 Nr. 6, 42 Abs. 1 Alt. 1 ZPO nicht vorliegt. Das BVerfG hat in einem Nichtannahmebeschluss, der den Amtsvorgänger von VROLG S. betraf, die Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeit, wonach die Vorbefassung eines Richters mit dem streitigen Anspruch durch Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht unter diese Norm zu fassen sei, nicht beanstandet (Beschl. v. 4.7.2001 - 1 BvR 730/01, NJW 2001, 3533). Auch im Streitfall greift § 41 Nr. 6 ZPO nicht ein, weil VROLG S. an der Urteilsfindung im ersten Rechtszug nicht beteiligt war und damit bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht mitgewirkt hat.
2. Es ist aber auch kein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 ZPO gegeben. Nach dieser Bestimmung findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt. Eine solche ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Dabei kommen nur Umstände in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Die Tatsache, dass VROLG S. im ersten Rechtszug in dem unter I. geschilderten Umfang tätig war, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. In der gerichtlichen Praxis gibt es zahlreiche Konstellationen, in denen ein Richter eigene Entscheidungen oder Maßnahmen im weiteren Verfahren zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern hat. Zu denken ist etwa an die Schlüssigkeitsprüfung nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, die Entscheidung über Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nach Widerspruch gegen einem Beschlussverfügung, die Entscheidung über die Hauptsache nach Entscheidung im Verfügungsverfahren oder die Befassung mit der Hauptsache nach Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren. Ein Richter, der in solchen Fällen seine Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht hat, verliert allein hierdurch nicht seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit. In all diesen Fällen geht das Gesetz vielmehr davon aus, dass er seine Meinung unter Berücksichtigung der Argumente der Parteien und etwaiger neuerer Erkenntnisse unvoreingenommen überdenkt und bereit ist, sich gegebenenfalls von seiner bisherigen Auffassung zu lösen. Demnach ist ein Richter nicht schon deshalb als befangen anzusehen, weil er früher in demselben oder in einem anderen Verfahren m...