Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Schonvermögen im Prozesskostenhilferecht und zur Versagung der Prozesskostenhilfe, wenn die Verfahrenskosten nur durch eine (unwirtschaftliche) Verwertung einer Lebensversicherung aufgebracht werden können. Prozesskostenhilfe. hier: Versagung der Prozesskostenhilfe, wenn die Verfahrenskosten nur durch eine (unwirtschaftliche) Verwertung einer Lebensversicherung aufgebracht werden kann
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prozesskostenhilfe handelt es sich ihrer Typizität nach nicht um Hilfe zum Lebensunterhalt, sodass entsprechend § 73 SGB XII für die Bestimmung des Schonvermögens gem. § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII der Betrag gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b der DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (Grundbetrag 2.600 EUR) einschlägig ist.
2. Die Verwertung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht stellt zwar gem. § 90 Abs. 3 SGB XII dann eine Härte dar, wenn dadurch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Davon kann aber nur ausgegangen werden, wenn die Versicherung für die angemessene Altersversorgung des Klägers erforderlich ist. Die Erforderlichkeit kann wiederum nur bejaht werden, wenn die Schlussfolgerung möglich ist, dass die Alterssicherung dereinst unzureichend sein werde.
3. Dass die Verwertung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht zu einer Vernichtung wirtschaftlicher Werte führt, weil der Rückkaufswert hinter dem wahren Wert der Versicherung zurückbleibt, begründet keine Härte im Sinn des § 90 Abs. 3 SGB XII.
4. In der Regel ist aber der Verweis auf eine unwirtschaftliche Verwertung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht gem. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO nur dann zumutbar, wenn nach einer unwirtschaftlichen Verwertung noch ein das Schonvermögen deutlich übersteigendes Vermögens verbleibt.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3; SGB XII §§ 73, 90 Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3
Gründe
I. Die Parteien - der 1970 geborene Antragsteller und die 1969 geborene Antragsgegnerin - haben 1992 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Antragsteller, gelernter Stukkateur, erzielt als Selbständiger einer Bausanierungsfirma ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.709,67 EUR. Die Antragsgegnerin, gelernte Kosmetikerin, ist derzeit arbeitslos; sie erhält ein monatliches Arbeitslosengeld ...
Der Antragsteller hat beim AG Scheidungsantrag eingereicht. Die Antragsgegnerin hat dem Scheidungsantrag zugestimmt und Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren beantragt.
Die Antragsgegnerin hat ein Sparguthaben bei der Sparkasse i.H.v. 110 EUR, ein Kraftfahrzeug Marke Renault Rapid (Baujahr 1997) sowie eine Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht bei der X. Lebensversicherung AG. Der aktuelle Wert dieser Rentenversicherung beträgt 5.188,62 EUR, der aktuelle Rückkaufswert beträgt 3.479,29 EUR.
Das AG hat den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Antragsgegnerin die Rentenversicherung zur Finanzierung der Prozesskosten einsetzen müsse. Gegen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Das AG hat der sofortige Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO zulässig und begründet.
Es ist der Antragsgegnerin aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht zuzumuten, zur Bestreitung der Verfahrenskosten ihr (geringes) Sparvermögen und ihre Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht einzusetzen (§ 115 Abs. 3 ZPO).
Es davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin voraussichtlich Verfahrenskosten i.H.v. insgesamt rd. 1. 340 EUR entstehen werden. Es sind insoweit - wegen § 93a ZPO - die Kosten der Rechtsanwältin der Antragsgegnerin sowie die Hälfte der Gerichtskosten zugrunde zu legen. Ausgehend von einem Streitwert des Verfahrens von 6.629,01 EUR (§ 48 Abs. 3 GKG) errechnen sich die der Antragsgegnerin entstehenden Verfahrenskosten im Einzelnen wie folgt:
Rechtsanwaltskosten:
1,3 Verfahrensgebühr à 375 EUR = 487,50 EUR
1,2 Terminsgebühr Gebühren à 375 EUR = 450 EUR
Auslagenpauscxhale (Geb.-Verz. Nr. 7002) 20 EUR
16 % MwSt (Geb.-Verz. Nr. 7008) 153,20 EUR
Zw.-Summe: 1.110,70 EUR
Gerichtskosten:
3 Gebühren à 151 EUR/2 = 226,50 EUR
Gesamtkosten: 1.337,20 EUR
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stehen dem Verweis auf den Einsatz der Rentenversicherung allerdings nicht schon die Vorschriften über den Versorgungsausgleich entgegen. Denn in den Versorgungsausgleich werden nur die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vorhandenen Anrechte einbezogen; der Versorgungsausgleich erfasst daher solche Rentenanrechte nicht, die bereits vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich erloschen sind, mag das Erlöschen - etwa durch Beitragserstattungen - auch erst nach dem Ende der Ehezeit eingetreten sein (BGH v. 5.2.2003 - XII...