Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühren für Beratung bei Berufungsrücknahme
Normenkette
RVG § 19 Abs. 1; RVG-VV Nr. 3201
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 05.09.2008; Aktenzeichen 42 F 127/07) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 5.9.2008 - 42 F 127/08 - aufgehoben. Der Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 25.8.2008 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt der Kläger.
3. Der Beschwerdewert wird auf 514,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Auf den entsprechenden Antrag des Klägers hin änderte das AG - Familiengericht - Freiburg mit Schlussurteil vom 26.5.2008 (42 F 127/07) eine Unterhaltsvereinbarung der Parteien vom 4.9.1990 dahingehend ab, dass der Kläger mit Wirkung ab 1.6.2007 keinen Ehegattenunterhalt mehr an die Beklagte zu zahlen hatte. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein, nahm das Rechtsmittel jedoch - nachdem sie zuvor einen Fristverlängerungsantrag zur Berufungsbegründung gestellt hatte - mit einem weiteren Schriftsatz wieder zurück. Mit Beschluss vom 19.8.2008 sprach das OLG Karlsruhe - 18 UF 142/08 - die Kostentragungspflicht der Beklagten hinsichtlich der durch die Berufung entstandenen Kosten aus.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.8.2008 beantragte der Kläger, die ihm im Berufungsverfahren entstandenen Anwaltskosten gegen die Beklagte festzusetzen. Er machte eine 1,1-Gebühr seiner Anwältin gemäß RVG-VV Nr. 3201 i.H.v. 412,50 EUR netto geltend sowie eine Postpauschale gemäß RVG-VV Nr. 7002, jeweils zzgl. Mehrwertsteuer. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.9.2008 setzte der zuständige Rechtspfleger des Familiengerichts Freiburg die von der Beklagten an den Kläger für das Berufungsverfahren zu erstattenden Kosten - antragsgemäß - auf 514,68 EUR nebst Zinsen fest.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie rügt, dass ihr kein rechtliches Gehör im Hinblick auf den Kostenfestsetzungsantrag der Gegenseite gewährt worden sei. Im Übrigen sei ein Erstattungsanspruch in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr nicht entstanden, da zwischen den Parteien ein Stillhalteabkommen vereinbart worden sei und die Rechtsanwältin des Klägers auch keine Tätigkeiten entfaltet habe, die über den Empfang und die Weiterleitung der Berufungsschrift an die eigene Partei hinausgegangen seien.
Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde entgegen getreten. Er legt dar, dass es zwar zutreffe, dass sich seine Prozessbevollmächtigte nicht an das OLG Karlsruhe mit einem Abweisungsantrag gewandt habe. Er sei jedoch über seine Rechtsanwältin über die Einlegung der Berufung informiert worden.
Der Rechtspfleger des Familiengerichts Freiburg hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die von der Beklagten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.9.2008 eingelegte sofortige Beschwerde gegen den ihr am 12.9.2008 zugestellten Kostenfest-setzungsbeschluss vom 5.9.2008 ist gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch für das Berufungsverfahren nicht zu. Denn seiner Rechtsanwältin sind im Berufungsverfahren keine Vergütungsansprüche entstanden.
Zwar liegen die Voraussetzungen einer 1,1-Gebühr gemäß RVG Nr. 3201 - einen Auftrag des Klägers für das Berufungsverfahren unterstellt (die von der Rechtsanwältin des Klägers vorgelegte Prozessvollmacht enthält kein Datum) - grundsätzlich vor. Der im Berufungsverfahren tätige Rechtsanwalt erhält eine Verfahrensgebühr für das "Betreiben des Geschäfts" (RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 2). Für das Entstehen der ermäßigten Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3201 ist ein Auftreten des Anwalts ggü. dem Gericht - anders als für die volle Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3200 - nicht erforderlich; dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut zu RVG-VV Nr. 3201 Ziff. 1. Das "Betreiben des Geschäfts" kann sich beispielsweise auf eine Beratung des Mandanten oder auf die Beschaffung von Informationen beschränken. Bereits geringfügige Tätigkeiten des Anwalts, die in irgendeiner Weise der Durchführung des Verfahrens dienen, erfüllen die Voraussetzungen für eine Verfahrensgebühr (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, RVG-VV Nr. 3100 Rz. 16 ff.).
Einem Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Berufungsverfahren steht jedoch § 19 Abs. 1 RVG entgegen. Selbst dann, wenn - was ebenfalls unterstellt wird - die Prozessbevollmächtigte des Klägers überprüft hätte, ob die Berufung der Gegenseite rechtzeitig eingelegt worden ist, würde dies für sie als bereits erstinstanzlich tätig gewesene Rechtsanwältin eine Neben- oder Abwicklungstätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 RVG darstellen. Ihre Vergütung ist daher mit den erstinstanzlichen Gebühren bereits abgegolten, so dass eine ge...