Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung im Policenmodell: Anforderungen an die Widerspruchsbelehrung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Widerspruchsbelehrung, nach der die Frist für den Widerspruch mit dem "Erhalt des Versicherungsscheins" beginnen soll, ist fehlerhaft.
2. Die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, da lediglich ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, sofern dem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformation und die Versicherungsbedingungen tatsächlich mit dem Versicherungsschein übersandt wurden.
Normenkette
BGB § 242; VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 15.07.2022; Aktenzeichen 21 O 250/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15.07.2022, Az. 21 O 250/21, wird zurückgewiesen.
2.Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Société en commandite par actions (RAIF) mit Sitz in Luxemburg und beim Landgericht Karlsruhe als Rechtsdienstleister gemäß § 10 Abs. 1, 3 RDG registriert, erhebt Ansprüche aus der Rückabwicklung zweier Versicherungsverträge aus abgetretenem Recht.
Der Versicherungsnehmer L. schloss mit Antrag vom 29.11.2004 bei der Beklagten im Wege des Policenmodells eine Rentenversicherung unter der Versicherungsscheinnummer ...15 ab. Versicherungsbeginn war der 01.12.2004. Der Ablauf der Beitragszahlung war für den 30.11.2009 und der Beginn der Rentenzahlung war für den 01.12.2016 vorgesehen. Das Policenbegleitschreiben vom 07.12.2004 enthielt auf der zweiten Seite folgende Belehrung:
"Widerspruchsrecht
Wie Ihnen bereits auf Grund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb einer bestimmten Frist nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Bitte beachten Sie hierzu, dass auf Grund einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die Widerspruchsfrist ab dem 01.10.2004 von 14 auf 30 Tage verlängert wurde. Diese Regelung gilt selbstverständlich auch für Ihren Vertrag. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."
Der Vertrag wurde vollständig durchgeführt; die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte die mit Schreiben vom 26.11.2016 errechnete Ablaufleistung von 37.133,18 EUR aus.
Mit Vereinbarung vom 11./13.06.2018 trat der Versicherungsnehmer sämtliche Ansprüche betreffend die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags mit sofortiger Wirkung an die Klägerin ab, die die Abtretung annahm.
Der Widerspruch des Versicherungsnehmers datiert vom 18.05.2021. Die klägerseits verlangte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.06.2021 ab.
Der Versicherungsnehmer R. schloss bei der Beklagten im Wege des Policenmodells eine fondsgebundene Rentenversicherung unter der Versicherungsscheinnummer ...01 ab. Der Versicherungsbeginn war auf den 01.08.2004 datiert. Das Policenbegleitschreiben vom 21.07.2004 enthielt auf der Rückseite folgende Belehrung:
"WIDERSPRUCHSRECHT
Wie Ihnen bereits auf Grund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Genaue Angaben über Beginn und Ablauf der Frist enthält die Ziffer 'Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?' in der beigefügten 'Verbraucherinformation zu Ihrer Fondsgebundenen Rentenversicherung nach Tarif ...'".
Der Versicherungsnehmer führte zwei weitere Versicherungsverträge bei der Beklagten. Auf seinen Antrag hin wurde dem Versicherungsnehmer im Jahr 2007 ein Policendarlehen gewährt. Mit Schreiben vom 28.01.2009 erklärte der Versicherungsnehmer die Kündigung, die ihm die Beklagte bestätigte. Mit Schreiben vom 02.02.2009 erbat der Versicherungsnehmer die Zurücknahme der Kündigung und beantragte eine sofortige Beitragsbefreiung. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 05.02.2009 die Wiederinkraftsetzung der Versicherung und mit weiteren Schreiben die Beitragsfreistellung zum 01.03.2009.
Mit Schreiben vom 22.02.2010 erklärte der Versicherungsnehmer die Kündigung, woraufhin die Beklagte 2.210,56 EUR an ihn auszahlte.
Mit Vereinbarung vom 24./30.10.2018 trat der Versicherungsnehmer sämtliche Ansprüche betreffend die Rückabwicklung des Versicherungsvertrages mit sofortiger Wirkung an die Klägerin ab, die die Abtretung annahm.
Der Widerspruch des Versicherungsnehmers datiert auf den 24.10.2018. Die klägerseits verlangte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.06.2019 ab.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Beklagte habe die Prämien jeweils ohne rechtlichen Grund erla...